Gedichte, die Gassenhauer sein könnten
Marcel Beyers Gedichtband, der 150 zwischen 2001 und 2013 entstandene Texte enthält, setzt mit einem Geschichtspanorama ein. Eine Kunstschneeanlage bei Düsseldorf, der sowjetische Regisseur Sergej Eisenstein und eine Winterschlacht des Jahres 1941 fügen sich anekdotisch zusammen. Pompöses Resümee des Titelgedichts: "Einmal quer durchs / Jahrhundert führt, am Pistenrand / hier, eine Schattenspur, Graphit."
Der 1965 geborene deutsche Autor, dessen Prosa und Lyrik vielfach ausgezeichnet wurden, setzt auf große Gesten, Kindheitserinnerungen und Selbstironie, um der Ödnis deutscher Befindlichkeit und der Dürftigkeit aktueller Lyrik zu entkommen. "Mit Playmobil", heißt es weiter, baute er "wirklichkeitsgetreu bis in die Platzund Plastikwunden /den großen Nervenkrieg des zwanzigsten Jahrhunderts nach". Besondere Duftnote des Dichters, der sich augenzwinkernd als "Mann vom History Channel" versteht: Er riecht "nach Katzenpisse". Frühere Hoffnungen in die Königsdisziplin der Literatur, die Dichtung, sind nur erinnerter Schmerz: "Wespe, komm in meinen Mund, / mach mir Sprache, innen, / und außen mach mir was am Hals, / zeig's dem Gaumen, zeig es uns."