Griaß euch, die Vorstadtmadeln!
Das Wort "Unterschichtenfernsehen" bezeichnete in den Nullerjahren moralisch fragwürdige Talkshows, die von sozial stigmatisierten Menschen konsumiert wurden. Durch die Verlagerung von Programmen in das Internet verlor der TV-Bildschirm an Bedeutung. Der Prestigeverlust des
Mediums geht so weit, dass man heute sagen kann: Alles Fernsehen ist Unterschichtenfernsehen. Und so machen die distinguierten Konsumenten und Konsumentinnen dänischer TV-Serien natürlich einen großen Bogen um TV-Produkte wie "Vorstadtweiber", zu Unrecht. Denn es handelt sich um den erstaunlich kurzweiligen Versuch, einen anderen Blick auf die österreichische Gesellschaft zu werfen.
Hierzulande nennt man den filmischen Blick von oben nach unten Unterhaltung. Von "Ein echter Wiener geht nicht unter" bis zum "Kaisermühlen Blues" wurde immer über die Underdogs gelacht, über jene, die man selbst nicht war. Die Serie "Vorstadtweiber" hingegen untersucht die ethischen Standards der Mittelschicht, die Steuerhinterziehung der Geschäftsfrau und die Gaunerei des Bauspekulanten. Gier und Neid sind nicht nur die ökonomische Triebfeder, sondern bestimmen auch die Liebesbeziehungen der Protagonisten. Es macht dieser vom Über-Ich nicht allzu heftig gegängelten Klasse sichtlich Spaß, ihr Geld in die Kapitalsorte Sex zu konvertieren.
Regisseurin Sabine Derflinger und Drehbuchautor Uli Brée dringen nicht bis nach ganz oben vor. Die Häuser der Vorstadtweiber und -kerle sind dann doch eine Spur zu geschmacklos, als dass man sich darin einen ehemaligen Finanzminister und seine Gattin vorstellen könnte. Netflix-Abonnenten rümpfen über so viel Stillosigkeit natürlich die Nase. "Vorstadtweiber" ist Lachen auf Augenhöhe, Fernsehen für Menschen, die noch fernsehen.