"Ottakring ist die Bronx von Wien"

Roland Neuwirth setzt im Ehrbarsaal seinen langsamen Abschied von der Konzertbühne fort

FALTER:Woche, FALTER:Woche 9/2015 vom 24.02.2015

Foto: Lukas Beck

Der Wienerlied-Erneuerer Roland Neuwirth zählt zu den fleißigsten Livemusikern des Landes. Damit soll bald Schluss sein: Seine Band, die Extremschrammeln, wurden vergangenen Herbst 40, Neuwirth selbst wird heuer 65. Diese Woche ist der Zweitwohnsitz-Waldviertler noch dreimal in Wien zu hören, mit Erwin Steinhauer spielt er das Programm „Zwa oide Aborigines aus Ottakring/Hernals“.

Falter: „Roland Neuwirth zum letzten Mal in Wien?“, heißt es in der Konzertankündigung. Das glauben Sie doch selbst nicht, oder?

Roland Neuwirth: Keine Ahnung, was die Leute so alles schreiben. Wahr ist vielmehr, dass ich heuer das letzte Jahr mit den Extremschrammeln spiele. Im Herbst 2016 gibt es dann noch eine Abschiedstour.

Ihre Konzerte mit Erwin Steinhauer stehen unter dem Motto „Zwa oide Aborigines aus Ottakring/Hernals“. Welche Beziehung haben Sie als Hernalser zum Nachbarbezirk?

Neuwirth: Ottakring ist die Bronx von Wien! Dort haben sie mir die Windschutzscheibe eingeschlagen, mein Handy gestohlen und die Reifen aufgeschlitzt. Zumindest das Grätzl um den Yppenplatz kann mir seither gestohlen bleiben.

Erwin Steinhauer sieht das vermutlich anders. Was verbindet Sie?

Neuwirth: Den Erwin kenne ich schon gute 30 Jahre. Als Schauspieler ist er eine Seltenheit, weil ihm auch das Österreichische am Herzen liegt. An meinen Liedern war er schon immer interessiert, er fühlt sich ja selbst zum Singen hingezogen. Während unserer 37 gemeinsamen Vorstellungen in der Josefstadt über Hans Moser kam er eines Tages mit der Bitte, ihm einen neuen Text zu einem bekannten Wienerlied zu schreiben. So ergab sich diese Zusammenarbeit von selbst.

Sie kamen 1957 siebenjährig aus Floridsdorf nach Hernals. War das ein großer Schritt?

Neuwirth: Es war ein Riesenschritt, ein sozialer Aufstieg. Diese Gemeindebauten sind zwar schiach, aber der Ausblick ist unbezahlbar. Ich sehe auf den Schafberg, auf die Weinberge und hinunter auf die Villen der Gestopften, während sich die meine Hütte anschauen müssen. Darüber habe ich einmal ein Lied geschrieben: „Wer ist da jetzt besser dran“. Hernals ist eine wunderbare Gegend. Nur leider gibt es kein Kaffeehaus, ich war ja immer ein leidenschaftlicher Kaffeehausgänger.

Wie geht es Ihnen als passioniertem Raucher damit, dass die Kaffeehäuser zusehends rauchfrei werden?

Neuwirth: Der Teufel soll sie holen, diese Gfrasta! Alles wird reglementiert, bald schreiben sie einem vor, wie oft man ein- oder ausatmen darf. Zuerst reden sie uns ein Leben lang ein, dass wir rauchen sollen, und auf einmal wollen sie uns die Zigaretten wieder wegnehmen. Wir sind ja keine Diwan-Wurschteln! Außerdem braucht man Zigaretten. Man braucht sie, um den Frust wegzurauchen, um einen klaren Kopf zu bekommen und zum Entspannen. Bei mir ist das jedenfalls so. Wem das nicht passt, der muss ja nicht in meiner Nähe sein.

„Nichtraucherschutz“ ist für Sie also ein Reizwort?

Neuwirth: Die jungen Leute sollen am besten gar nicht süchtig werden, aber wir letzten Aborigines von Hernals brauchen auch unseren Platz. Ein Reservat, wo wir eine durchziehen können. Was für eine Welt ist das, wo man nicht ein bisschen subversiv sein kann? Das ist ja nicht mehr Österreich, denn eigentlich geht bei uns immer noch ein bisserl was. Zumindest war es bisher so, und das sollten wir uns auch nicht nehmen lassen.

Ist diese ganze Reglementierung eine neue Form der Amerikanisierung?

Neuwirth: Ja, klar. Wir machen alles nach. Sogar die Fernsehprogramme der Deutschen, weil uns nichts einfällt. Inzwischen wurde das Wort „lecker“ im Österreichischen Wörterbuch aufgenommen. Hätte mein Großvater das gehört, er hätte eine Bombe in die Redaktion geschmissen. Der Österreicher an sich ist ein charakterschwacher Mensch. Er lässt sich alles gefallen, und er macht alles nach, weil er so einen Minderwertigkeitskomplex hat.

Haben Sie als Wahl-Waldviertler die TV-Serie „Braunschlag“ gesehen?

Neuwirth: Leider habe ich mir sogar die DVD gekauft. Ich konnte aber nicht einmal die erste Folge ganz anschauen.

Wieso das denn?

Neuwirth: Weil es keinen Charme und keinen Schmäh hat. „Braunschlag“ ist so grob! Die Story ist eh lustig, und die Message ist auch nicht schlecht. Die Kritik an den abergläubigen, rückständigen und rassistischen Waldviertlern hat seine Berechtigung, nur muss man es anders machen. Nicht so gefühllos und brutal. Es genügt nicht, einfach auf den Teller zu scheißen.

Ehrbarsaal, Fr 19.30, Sa 16.00 und 19.30

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