Auch die Klassik fischt in fremden Gewässern

Feuilleton, FALTER 9/2015 vom 25.02.2015

Transkriptionen haben in der Musikgeschichte Tradition. Nicht nur im Pop wird munter gecovert, auch die Klassiker fischen gerne in fremden Gewässern. Der wohl prominenteste "Plünderer" war Franz Liszt: Er hinterließ 140 Bearbeitungen, 55 davon sind Liedtranskriptionen von Franz Schubert. Überhaupt wurde der Liederfürst gerne und viel bearbeitet.

So auch von Daniel Behle, der Schuberts "Winterreise" nun für Tenor und Klavier-Trio adaptiert hat und sie auf dem gleichnamigen Album (Sony) der Originalversion gegenüberstellt. Eine feine Bearbeitung, die durch den Einsatz lautmalerischer Akzente von Violine und Violoncello (Begleitfiguren, Tremolos, Flageoletts und Pizzicati) Schuberts Gefühls-und Bilderwelt ganz neu durchwandern lässt.

Maurice Ravel hingegen hat seine Werke am liebsten gleich selbst bearbeitet. Ursprünglich wurden sämtliche Stücke, die Seiji Osawa und das Boston Symphony Orchestra auf "Maurice Ravel - Orchestral Works" (Pentatone) spielen, für das Klavier komponiert. Nach und nach wandelte Ravel seine Klavierzyklen wie "Ma Mère l'Oye", "Valse nobles et sentimentales" oder "Le tombeau de Couperin" in Orchesterfassungen um und schuf eine bizarre Märchenwelt voll schillernder Klangfarben und zarter Melodien, wo Feen tanzen und Däumlinge ihr Unwesen treiben.

Avi Avital machte aus der Not eine Tugend. Nachdem das Repertoire für die klassische Mandoline bald erschöpft war, blieb dem jungen Mann aus Israel nichts anderes übrig, als die Musik für sein Instrument passend zu machen. Dabei stellte sich heraus, dass sich viele Stücke hervorragend für die Mandoline arrangieren lassen, von Bach bis Bartók, von bulgarischen Volkstänzen bis zu Dvorák und Villa Lobos. Das Album "Vivaldi" (DG) widmet Avital nun Antonio Vivaldi. Der hat eines der Konzerte tatsächlich für die Mandoline komponiert. Die übrigen hat Avital virtuos arrangiert, als wären sie nie anders gedacht gewesen.

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