Latexberge
Da war was los in Wien, im März 1995. Gelassen blieb allerdings der auf dem Falter-Cover abgebildete Direktor der New Yorker Guggenheim Foundation, Thomas Krens. Markus Wailand hatte ihn zur Möglichkeit eines Guggenheim-Museums in Wien befragt, das auf der Donauplatte errichtet werden sollte. Krens blieb angemessenerweise gelassen, er wusste, dass er angesichts der zahlreichen Wiener Unbekannten die Gleichung nicht lösen konnte. "Ich habe es nicht eilig", sprach er, und tatsächlich, Guggenheim-Museum steht bis heute keines in Österreich, in Wien nicht und auch nicht anderswo.
Auf das Waldheim-Jahrzehnt folgte der rechte Backlash. Jörg Haider ritt auf den Furien der Geschichte dahin und verstörte das österreichische und mitunter auch das internationale Publikum mit seinen Anspielungen auf die NS-Zeit.
Der Historiker und Archivar Wilhelm Svoboda lieferte in einem großen Stück eine Aufarbeitung der "Glasenbacher". Das waren jene unverbesserlichen Nazis, die nach 1945 im Salzburger Glasenbach interniert, aber keineswegs einer Umerziehung unterzogen wurden. Die hochrangigen Nazis (unter ihnen KZ-Kommandanten) blieben im Lager vielmehr ihrer politischen Grundeinstellung treu und sangen das Horst-Wessel-Lied und das Deutschlandlied. 1947 wurde Glasenbach aufgelöst, und nun bildete sich der Mythos der Lagergemeinschaft. Einerseits lieferten die "Glasenbacher" Personal für die FPÖ, andererseits fantasierten sich manche in den Wahn hinein, Glasenbach sei ein "Konzentrationslager" gewesen, in dem Nazis "für ihre Taten büßen" mussten.
Außer Kunst und der Rechten erregte aber etwas ganz anderes Wien. "Seit vergangener Woche versinkt Österreich unter den Latex-Abriebbergen der Rubbellose. In nur einer Woche wurden fünf Millionen Lose verkauft und über 53 Millionen Schilling an Gewinn ausbezahlt", berichtete Thomas Rottenberg im Stadtleben. Die Latexberge sind mittlerweile abgetragen und verbrannt. An ihren Rubbellosen aber reibt sich weiterhin eine ratlose Nation.