"Jede Zeit hat ihren Pleampl"

Attwenger werden 25, veröffentlichen ein neues Album und spielen am Samstag im Wuk

FALTER:Woche, FALTER:Woche 11/2015 vom 10.03.2015

Foto: Gerald von Foris

Schwimmen und Radfahren, die Sportarten von Markus Binder und Hans-Peter Falkner, scheinen zu wirken: Die zwei Attwenger-Musiker machen beim Gespräch zu ihrem neuen Album „Spot“ einen topfitten Eindruck. Einen Unterschied zu früher gebe es freilich, sagen die beiden Polkapunks: Einst hielt die Musik sie fit, heute müssten sie darauf achten, für die Musik fit zu bleiben.

Falter: Im April 1990 fand das erste Attwenger-Konzert statt. Welche Erinnerungen haben Sie daran?

Hans-Peter Falkner: Dass es einen jungen Burschen gab, der uns danach ganz eindringlich sagte: „Lassts das bleiben, das wird nie was!“

750 Konzerte in aller Welt später sind Attwenger längst eine Popinstitution und ein Stück österreichisches Kulturgut. Hätten Sie das damals für möglich gehalten?

Markus Binder: Na servas, da wird jetzt aber schön draufgedrückt! Nein, hätte ich nicht, denn es war für uns in erster Linie eine lustige Sache. Ich war kurzfristige Bandprojekte gewohnt, und so sah ich Attwenger anfänglich auch. Nach den ersten drei Platten dachte ich 1995, dass es das jetzt war. Das Attwengerding sollte sich dann aber doch als stärker erweisen. Es wollte seinen Platz haben, und heute bin ich echt froh darüber. Mittlerweile denke ich mir: It’s a never ending story!

Falkner: Ich war damals lästig. „Aufhören ist ein Blödsinn, das machen wir jetzt nicht“, habe ich gesagt. Nicht solange es so interessant für uns ist.

Woher rührten damals die Zweifel?

Binder: Ich habe Interessen in alle Richtungen und dachte, dass ich etwas anderes machen will. Mitte der 1990er hatte das Technogewitter heftig zugeschlagen, aber irgendwann bin ich aus dem Stroboskopnebel wieder aufgetaucht. Das Problem war, dass Attwenger nicht uninteressant wurde, was ja bis heute gilt. Es ist für uns auch bei der neuen Platte wieder erstaunlich, was man mit so minimalistischen Mitteln zutage fördern kann.

Was ist das Geheimnis Ihrer so gut funktionierenden Band-Ehe?

Binder: Wir haben immer noch Spaß an Attwenger, wissen aber auch die Distanz zu schätzen. Wer heiratet, wohnt dann auch zusammen. Ich halte das für gefährlich. Wir tun das nicht, sondern führen eher eine Wochenendbeziehung. Wir sind verschiedene Typen mit verschiedenen Interessen, was für Attwenger natürlich produktiv ist, aber auch zu Konflikten führt.

„Wenn des Wirrwarr weniger irr war“, sangen Sie 1993. Wurde dieses Wirrwarr nicht immer irrer?

Binder: Ich glaube nicht, dass die Welt Anfang der 90er so viel überschaubarer war. Der Eiserne Vorhang war gerade gefallen, und es gab den ersten Irak-Krieg vom alten Bush. IS ist ja eine ganz klare Folge davon. Zur Ruhe ist die Welt noch nie gekommen. Sie dreht sich weiter, und das war vor 25 Jahren nicht viel anders. Es bleibt interessant, sagen wir so.

Was fällt Ihnen zum Stichwort „Volks-Rock-’n’-Roll“ ein?

Binder: Gerade gestern erst habe ich über Gabalier nachgedacht und gemerkt, dass es eigentlich niemanden gibt, auf den das Wort „Pleampl“ besser zutrifft als auf diesen Herrn.

Wie definieren Sie „Pleampl“?

Binder: Der Deutsche würde zum Pleampl wohl „Dumpfbacke“ sagen, der Engländer „Egghead“.

Falkner: Der Pleampl ist aber viel mehr als eine Dumpfbacke. Eine Dumpfbacke ist ja noch harmlos. Die ist vielleicht ein bisschen matsch, aber was der da macht, ist ja angrenzend gefährlich blöd.

Binder: Unser Volks-Rock-’n’-Roller: ein echter Pleampl! Eine Dumpfbacke ungeheuren Ausmaßes, wirklich.

Falkner: So etwas wird es aber immer geben. Die Welt dreht sich weiter, und jede Zeit hat ihren Pleampl.

Nur hat halt selten ein Pleampl eine derartige Massenwirkung.

Falkner: Es gibt da Tendenzen, die interessant sind. Gefährlich interessant. Herbert Achternbuschs Film „Bierkampf“ aus dem Jahr 1977 handelt vom Oktoberfest. Unter hundert Leuten trugen damals zehn eine Tracht. Heute sind es 90. Auf der „Wiener Wies’n“ ist es genau dasselbe. Die Dirndln und Lederhosen, die sich diese Massen vielfach sehr junger Menschen beim Hofer kaufen, sind eine Verkleidung und ein Freibrief, ohne Ende zu saufen, das ist eine Uniform an Dummheit. Der Volks-Rock-’n’-Roller ist die zugehörige Leitfigur. Früher war das in der Tat nicht so arg.

Binder: Na ja. Gerade in Österreich und Bayern haben sich dieser Chauvinismus, dieser Patriotismus und dieses „Mia san mia“ immer ihren Weg gebahnt. Jetzt hat eben der Pleampl die Regentschaft über diese Bewegung übernommen.

Wie definieren Sie den Begriff „Attwengern“ 2015?

Binder: Hören Sie unser neues Album „Spot“, und Sie wissen es.

Falkner: Mit Lust an die Sache herangehen, so wie immer. Und live schwitzen, das heißt Attwengern.

Wuk, Sa 20.00

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