Die Stadt, die vom Krieg nichts wissen will
Wer dieser Tage nach Kiew fliegt, für den beginnt die Ukraine-Krise bereits am Flughafen Wien.
Die Gates D22 und D23 sind nur wenige Meter voneinander entfernt; und vor beiden warten Menschen auf den Sicherheitscheck. Die Reisenden bei D23 fliegen nach Moskau, bei D22 nach Kiew. Es herrscht Stille, es wird geflüstert. Man steht Schulter an Schulter, schaut sich aber nicht einmal an, sondern blickt nur zu Boden oder in die Luft. Hass ist nicht zu spüren, aber jede Menge Scham, als würden die Reisenden sich für ihre Regierungen genieren.
Ukrainer und Russen betrachten einander als Brudervölker. Über viele Jahre lebten sie Seite an Seite im gleichen Staat, der Sowjetunion. Seit einem guten Jahr ist es aber vorerst vorbei mit der Freundschaft, zumindest politisch. Der Regimewechsel, der vergangenes Jahr in Kiew stattfand, löste ein Erdbeben aus. Demonstranten und undurchsichtige Paramilitärs vertrieben im Februar 2014 die alte Regierung, die enge Kontakte mit Russland pflegte, zugunsten russlandfeindlicher und prowestlicher Machthaber.