Anstellen für Pastrami am Yppenmarkt

Feuilleton, FALTER 13/2015 vom 25.03.2015

Ja, auch das Pastrami-Sandwich, das den Wartenden letzten Samstag am Yppenmarkt nach gut 40 Minuten letztendlich auf einem Papptablett überreicht wurde, war gut. Es war ordentlich dick mit dieser durch Pökeln, Würzen und Räuchern rosarot gewordenen Rinderbrust gefüllt , dazu gab es selbstgemachten Senf und als Beilage ein symbolisches Salzgurkerl von Staud's. Gastronom Michael Vesely und sein Team haben ein feines Näschen dafür, was Wiens Foodies nach Burgern und Pulled Pork diesen Sommer begeistern könnte. Aber darum ging es nicht. Oder nur am Rande.

Denn den Streetfood-Stand der Veselys aufzusuchen hieß an diesem Samstag nicht nur, der jüdischen New Yorker Sandwich-Legende zu huldigen. Sondern auch einer fast in Vergessenheit geratenen Alltagshandlung: dem Sich-für-etwas-Anstellen. Dem Auf-etwas-Gutes-Warten. Und zwar nicht aus der Not heraus (das Pastrami-Sandwich kostet immerhin stolze acht Euro), sondern aus Freude. Mindestens 40 Minuten Wartezeit oder 15 Laufmeter lang zog sich die - sehr englisch formierte -Schlange der Pastrami-Kundinnen. Hier ließ sich das Prinzip von Angebot und Nachfrage im Kleinen anschaulich beobachten. Wer auf Essen wartet, kauft zum Zeitvertreib Amuse-Geule. In dem Fall profitierten ein Weinhändler und ein Raclette-Stand davon, die gleich neben dem Pastrami-Mekka ihre Waren anboten.

Warten heißt aber auch, ins Gespräch mit den Menschen vor und hinter einem zu kommen. Darüber räsonieren, welche schöne Sogwirkung eine gute Idee (Pastrami!), schönes Wetter (erste echte Frühlingssonne!) und eine gewisse Gelassenheit (Foodies verlieren nie die Nerven!) entwickeln können. Das Pastrami-Sandwich war gut, aber das Warten darauf, das war noch besser.

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