"Wir sind gefangen in ewiger Vergangenheit"
Kulturtheoretiker Mark Fisher über die tödliche Leere der Popmusik, das Verschwinden von Kreativität und die Notwendigkeit einer linken Revolte
Der Engländer Mark Fisher verknüpft Popkultur, Netztheorie und linken Aktivismus. Im Falter wurde sein intellektueller Background unter dem Schlagwort des "Spekulativen Realismus" vorgestellt (Falter 9/14). Während der Finanzmarktkrise 2008 publizierte Fisher den Essay "Kapitalistischer Realismus ohne Alternative". Unlängst erschien sein Buch "Gespenster meines Lebens", das Texte zur Popkultur versammelt. Im Internet ist Mark Fisher auch als Blogger K-Punk aktiv. Im Interview wird der Musikfan und Cyberveteran deutlich: Es kann nur besser werden.
Falter: In Ihrem Buch schreiben Sie, dass wir gerade die deprimierendste Zeit der Musikkultur seit den 1950er-Jahren erleben. Ist es wirklich so schlimm?
Mark Fisher: Ja, wir erleben in mancher Hinsicht eine kulturelle Depression. Seit 2003 sind eigentlich keine neuen Musikstile mehr aufgetaucht. Da wurde diese Verflachung der kulturellen Zeit, die wir heute erleben, prägend. Wenn Sie heute zehn Jahre zurückdenken, kommt es Ihnen vor, als wäre das überhaupt nicht lange her. In den 70er-Jahren dagegen waren zehn Jahre noch eine gewaltige Zeitspanne, in der sich unzählige kulturelle Veränderungen ereignen konnten. Und in den letzten zehn Jahren, was ist da wirklich passiert? Die Leute verweisen dann gerne auf den technologischen Wandel. Das stimmt, aber es ist auch symptomatisch: Unsere kulturelle Zeitmessung erfolgt heute nur noch über neue Versionen des iPhones -nicht mehr über Veränderungen in der Kultur selbst.