Feuchtbiotop Rotenturmstraße
Informationsbureau
Liebe Frau Andrea,
nach elendslanger Zeit bin ich mit alten Studienkollegen mal wieder im Bermudadreieck eingekehrt. Einer von uns wusste dunkel zu berichten, dass der Wienfluss mal durch die Rotenturmstraße geflossen sei. Man könne noch heute die Eintiefung sehen. Das kann aber nicht stimmen, oder? Bitte um hydrologische Aufklärung! Vielen Dank und Bermudagrüße, Johannes Fröhlich,
Karmeliterviertel, per E-Mail
Lieber Johannes,
der harmlos plätschernde Wienfluss ist nicht nur Namensgeber der Stadt, sondern auch Urheber großer Teile der Wiener Topografie, kann er doch bei Unwettern zum reißenden Strom werden. Als Gebirgsbach, der große Teile des Wienerwalds entwässert, hat er sich tief in die Schotterterrassen eingeschnitten, auf denen die Stadt sich ausgebreitet hat. Durch die Rotenturmstraße ist die Wien allerdings nie geflossen. Ihr Bett ist wesentlich breiter und tiefer gelegen, aber es verläuft immerhin parallel, ein paar hundert Meter weiter südöstlich. Zwar ließe die hohlwegartige Anmutung der Rotenturmstraße auf ein Bachbett schließen, sehr wahrscheinlich geht deren Eintiefung aber mit ihrer Funktion als (vermutlich schon prähistorischer) Verkehrsweg einher: Ein Ast der Bernsteinstraße überquerte genau hier die einst zahlreichen Donauarme. Ein Gewässer gab es dennoch in unmittelbarer Nähe. Im Mittelalter (und vermutlich schon zu Zeiten des Römerlagers Vindobona) floss hier, vom Graben kommend, ein Gerinne, das Möring (Moric, Mörung) genannt wurde und als zentraler Abwasserkanal der Stadt genutzt wurde. Die Möring floss im Straßenzug parallel zur heutigen Rotenturmstraße, im Graben des einstigen Römerlagers. Beim Lichtensteg führte, wie schon der Name andeutet, eine kleine Brücke über das Gerinne, auf der die Fleischhauer ihre Schlachtbänke betrieben. Im Zuge von Kramer- und Rotgasse (einst Kotgasse genannt), sowie des Rabensteigs (früher: "Auf der Möring") mündete der Abwasserbach beim Roten Turm in den heute Donaukanal genannten Stadtarm der Donau. Mit Möring bezeichnete man generell ein städtisches Kanalgewässer, das Wort ist eng verwandt mit Moor, Morast und Mure, ja auch mit so entfernten und gewissermaßen mondänen Ortsbezeichnungen wie den Sümpfen des Pariser Marais.