Oliver Frlji´cs "Woyzeck" am Schauspielhaus. Neu und doch bekannt
Auf der Bühne ein mächtiger Galgen, an dem der Titelheld baumelt, dazu getragene Akkorde und schließlich eine riesenhafte Spiegelfolie, die Regisseur Oliver Frljić und sein Bühnenbildner Igor Pauška dem Publikum vorhalten. Bei passender Beleuchtung sieht es sich dann selbst an. Und ja, das Licht passt! Es ist eindrucksvoll und einer jener Teile der Inszenierung, die sie tragen - über manche Schwäche hinweg.
Frljić zäumt den "Woyzeck" von hinten auf, am Tunnelblick des Sterbenden rasen die Momentaufnahmen vorbei, auf sein finales Verhängnis zu. Georg Büchners Fragment wird weiter fragmentiert, zerstückelt, reinszeniert. Das schafft starke Bilder. In drastischer Weise erfährt Franz Solar als Woyzeck die Entmenschlichung, die die Regie zuallererst zeigen will. Zentrales Mittel dazu ist - szenisch wie metaphorisch - die sexuelle Erniedrigung: die Degradierung des Subjekts zum Objekt trivialer Triebe.
Dem Falter hat Frljić sein Anliegen erläutert, Büchners Woyzeck auf den "ökonomischen Faschismus" unserer Zeit anzusetzen. Doch über ihre bildgewaltigen, plakativen Szenen kommt der Inszenierung die gesellschaftskritische Substanz abhanden. Da bietet der Text im Original mehr als die Grazer Interpretation. Oliver Frljić will die Mittel des Theaters nutzen, um Themen über den Bühnenraum hinaus in die Gesellschaft zu tragen, er will aufrütteln, schockieren. Doch auch das funktioniert nicht wirklich. Mag sein, dass er die vergleichsweise konservative kroatische Theaterwelt mit einer brutal sexualisierten Szenerie vor den Kopf stößt, hier wirkt sie vor allem ... abgelutscht.
Schauspielhaus, Graz, Fr 19.30