Fortschritt? Ja. Aber Vorsicht!
In der Bettel-Debatte soll in Graz endlich Schluss sein mit "der ewigen Wiederkehr des Gleichen". Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP) legte mit Vertretern des Menschenrechtsbeirats eine umfassende Strategie vor. Herzstück: ein neues Service- und Infozentrum. Bettler könnten sich dort über Rechtliches, Jobmöglichkeiten und Hilfsangebote beraten lassen. Aber auch den Grazern soll es als Informations-und Beschwerdestelle dienen. Die No-Gos hofft man den Bettelwilligen im Gespräch ebenfalls klarzumachen: mit Krücken an Autofenster klopfen etwa und natürlich Betteln mit Kindern. Klingt vielversprechend. Sozialpartner, NGOs und Gemeinderatsfraktionen haben gemeinsam am Plan gearbeitet. Nagl, der oft Populistisches zum Thema losgelassen hatte, gab sich diesmal betont sachlich.
In einem ist Nagl mit NGOs und Grünen allerdings uneins. Geht es nach ihm, müssen die Bettler sich anmelden und erhalten einen Ausweis: "Ich will wissen, wer in der Stadt ist." Hier ist Vorsicht geboten: Beratung nimmt man lieber freiwillig an und nicht nach einer Zwangsvorladung. Zudem sind die Grazer Bettler hauptsächlich Roma, eine Registrierungspflicht kann böse historische Assoziationen wecken.
Wird durch die neue Strategie nun alles besser? Obacht: Sie ist eine sehr gute Grundlage, doch jetzt muss sie erst durch den Gemeinderat. Bis der sich auf die Details geeinigt hat, kann Nagl alles Mögliche einfallen. Auf der Homepage seiner Grazer ÖVP klingt die Sache nämlich schon wieder ganz anders. "Jene, die betteln wollen, haben sich bei diesem Infopoint zu melden und auszuweisen", heißt es barsch. Und das freundliche "Beratungszentrum"? Kein Wort mehr davon.
Gerlinde Pölsler ist Redakteurin im Steiermark-Falter