Mehr Einem

Wie wir wurden, was wir waren

Falter & Meinung, FALTER 19/2015 vom 06.05.2015

Der Fall Einem beherrschte nach wie vor die Medien, auch den Falter. Der Chefredakteur schrieb einen großen Essay über die Befindlichkeit des Landes und räumte seinen Platz auf Seite fünf für einen Kommentar des grünen Abgeordneten Peter Pilz, der Einem als einer der wenigen öffentlich beigesprungen war. Der frisch ernannte Innenminister Einem war von Jörg Haider als Terroristenfreund angekübelt worden, weil er vor längerer Zeit einmal für das anarchistische Tatblatt gespendet hatte, als dieses einen politischen Prozess auszufechten hatte. Aus einer Unterstützung der Pressefreiheit wurde ein terroristischer Akt.

Man kann sich die Hysterie, die damals herrschte, vielleicht vorstellen, wenn man weiß, dass der üblicherweise vernünftige Herausgeber des Profil, Hubertus Czernin, von Weimar schrieb, also von einer hohlen, schwachen Demokratie in Gefahr, von einem Putschisten (Jörg Haider) in einen Unrechtsstaat verwandelt zu werden. Czernin forderte, Einem (!) müsse zurücktreten.

Pilz berichtete in seinem Kommentar über das öffentliche Meinungsklima. "Ich habe in diesen Tagen gemerkt, dass die öffentliche Meinung wegrutscht. Ein Telefonat nach dem anderen, und von jedem Journalisten dieselbe Antwort. Einem ist hin, da kann man nichts machen, Haider hat gewonnen, leider. - Aber wir müssen was machen, der Anlass mit den Spenden ist doch lächerlich. Siehst du nicht, wer da mit wem aufmarschiert? Das ist kein Fall Einem, das ist die erste Machtprobe, die FPÖ, Krone und Teile der Polizei gemeinsam inszenieren. - Schon, ja, aber es ist sinnlos, da geht nichts mehr. - Aus."

Es ging dann doch, Kanzler Franz Vranitzky ließ Einem nicht fallen, obwohl die rechten Kräfte in der Polizei seinen Rücktritt forderten. Vorerst jedenfalls. Die Republik steht übrigens noch immer, nur das "noch" ist vielleicht ein bisschen fetter geworden.

Die Falter-Fußballmannschaft, teilte Doris Knecht im Editorial mit, tunkte unter der Leitung ihres Kapitäns Roland Koberg die Siegermannschaft der Universitätsmeisterschaft mit 6:4 ein.

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