Das bloßgestellte Kind
Die Justiz entdeckt die Nöte von Kindern, die oft in guter Absicht von den eigenen Eltern in Zeitungen oder sozialen Netzwerken ausgestellt werden
Illustration P. M. Hoffmann
Vor 100 Jahren wurde in Amerikas Zeitungen ein Wunderkind bejubelt, sein Name war William James Sidis. Eigentlich kam der Bursche gar nicht als Genie auf die Welt, seine Eltern versuchten aber, ihn zu einem zu erziehen, und das gelang ihnen auch.
William Sidis litt vermutlich an Hyperlexie, einer Form von Autismus. Mit 18 Monaten konnte er lesen, als Elfjähriger inskribierte er in Harvard, sein Intelligenzquotient lag bei 250, er beherrschte 40 Sprachen.
Sidis Eltern waren stolz, wie ein lebendiges Experiment präsentierten sie ihren Sohn in den Zeitungen. Schon mit 16 war ihm sein Status als Kinderstar zuwider: „Ich möchte ein perfektes Leben führen. Das gelingt aber nur in Abgeschiedenheit.“
Als er erwachsen wurde, zog er sich zurück und lebte als Einzelgänger. In den 1940er-Jahren, kurz vor seinem Tod, erschien aber eine große Reportage im angesehenen New Yorker über ihn.