Ode an den Badeanzug
Ich geb Ursula Andress die Schuld. Der Bikini war Ende der 1950er-Jahre eigentlich schon wieder von den Strandbildflächen verschwunden, aber die Andress musste ihn ja 1962 in "James Bond jagt Dr. No" wieder salonfähig machen. Ich geb der Schweizer Leinwandschönen die Schuld, dass heute alle Frauen in allen Schwimmbädern aller Erdteile in Bikinis herumlaufen, ja fast müssen.
Nur noch Exotinnen kommen heute auf die Idee, einen Badeanzug klassischen Schnitts zu tragen. Dabei wär's so viel schöner. Der gute alte einfarbige Einteiler, wie ihn Elizabeth Taylor getragen hat und Farrah Fawcett und Bo Derek und meinetwegen sogar Pamela Anderson, kommt nobel, kunstvoll, feinsinnig - kurz schön.
Wie sich alles bauchfreie Textil als letztlich entbehrlich herausgestellt hat, ist auch der Bikini ein modisch weitgehend kümmerliches Requisit. Das schmale Schnurwerk hängt lustlos zusammengebunden gen Sandstrand, die vier Dreiecke dazwischen verbergen je nach Körperhaltung das Nötigste und Unnötigste. Dabei könnten sich die Nabelfussel und Kreuzbeintattoos der Trägerinnen, auch ohne sie preiszugeben, ihrer Existenz sicher sein. Weil weniger vielleicht echt nicht immer mehr ist. Der Badeanzug bringt die Fraulichkeit subtiler, wirkt in der Form, man möchte sagen, musischer; und wenn er vom ständigen Zupfen am lästigen Oberteil befreit, vielleicht sogar "sophisticated". Eine Beschreibung, die zu erreichen am Strand sonst praktisch undenkbar ist.
Aber auch heuer werden die Zweiteiler von Tankini bis Stringbikini wieder die heimischen Schwimmbäder säumen und die Frage, wie das ernsthaft irgendjemand irgendwann schöner als die alte Badeware finden konnte, wird unbeantwortet bleiben. "Aber das sieht so omamäßig aus." Dann hatte deine Oma wahrscheinlich einfach Klasse.