Spanische Discos und Simmeringer Hundehaufen

Neue Platten, FALTER 20/2015 vom 13.05.2015

Drei Albenpräsentationen, dreimal Musik aus lokalem Anbau: Wer sich Er ist tot, Jim nennt, macht naturgemäß auch keinen Allerweltspop mit ausgeprägtem Nettigkeitsfaktor. Wobei: Uneingängig ist das Wiener Quartett nicht, gefallsüchtig aber auch kein bisschen. "Ich weiß, ich muss nicht immer gewinnen in dieser scheinheiligen Stadt namens Wien", heißt es auf dem neuen Album "Wir lassen uns gehen". Ungleich kämpferischer geht es aber auch, etwa im Indie-Disco-Feger "Revolte":"Sie sah die Welt nicht, wie sie war, sondern wie sie sein sollte -Revolte!"

Der Albumtitel "Spanish Disco" ist doppelt irreführend. Weder liefert das junge Bruder-Schwester-Duo Leyya aus dem oberösterreichischen Eferding auf seinem Debüt Stoff für die Tanzboden-Ekstase, noch kommt einem hier irgendwas Spanisch vor. Allerdings klingt "Spanish Disco" schön atmosphärisch, und damit passt der Titel eh wieder. Drin ist ruhige und doch pulsierende elektronische Popmusik, die um R'n'B wie um Synthiepop Bescheid weiß und auch Portishead schon einmal gehört hat; dem englischsprachigen Gesang gelingt ziemlich überzeugend eine Kombination aus brüchiger Zartheit und abgeklärter Präsenz.

Ungleich weniger subtil agiert der Wiener Produzent Kurt Razelli. Wortspenden aus Alltag, Funk und Fernsehen kombiniert er mit Beats der Marke "schlicht und geradeaus". Dazu packt er ein paar Schenkelklopfer-Videos, und fertig ist der Youtube-Hit. Jetzt ist dieser pubertäre Spaß auch als Tonträger zu haben ("Der Haha Effekt"). Sagen wir so: Die Kinder der 1980er-Jahre hatten die EAV, die Kinder des Jahres 2015 haben Kurt Razelli. "Gulasch geht immer" lautet ein typischer Songtitel, "Crazy What U Do Wis Me" ein anderer. Schlicht und einfach "Vodka", "Müll","Hundegacke" oder "Simmering" kann aber auch genügen.

B72, Fr 20.00 (Er ist tot, Jim); Café Leopold, Sa 22.00 (Leyya); Chelsea, Di 21.30 (Kurt Razelli)

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