Befremdliche Aufarbeitung: "Die Augen des Engels"

FALTER:Woche, FALTER:Woche 21/2015 vom 20.05.2015

Die Dinge ergäben keinen Sinn und an einer simplen Rekonstruktion des Falls sei er nicht interessiert. Die Story sei vielmehr, dass es keine Wahrheit und Gerechtigkeit gäbe, das Ergebnis solle ein Puzzle ohne Lösung werden. So erklärt Regisseur und Drehbuchautor Thomas (ambitioniert: Daniel Brühl), der sich nach Italien begibt, um einen Film über den Mord an einer englischen Studentin zu drehen, es seinem Produktionsteam. Ob Michael Winterbottom damit einen Wegweiser für "Die Augen des Engels" selbst in diesen Film über einen geplanten Film gepackt hat, bleibt offen. Denn über die Pläne geht es nicht hinaus.

Zwischen Thomas' Eintauchen in die Gerichtsverhandlungen und das bunte Treiben der internationalen Presse vor Ort, vor deren Zynismus und sensationsheischender Berichterstattung er angewidert zurückschreckt, plagt der sensible Künstler sich mit Trennungsschmerz, Schreibblockade, Sinnfragen, Albträumen und drogeninduzierten Angst-und Mordfantasien. Nebenbei schläft er mit der Journalistin Simone, trifft den Blogger Edoardo und vertreibt sich die Zeit mit der Studentin Melanie, mit der er die Begeisterung für Dantes "Vita Nuova" und "Göttliche Komödie" teilt. Im grüngelb ausgeleuchteten, düstersten Siena, das den Originaltatort Perugia ersetzt, spielen dann auch Motive aus diesen Büchern eine größere Rolle als der prominente Fall um Meredith Kercher und Amanda Knox (die hier Elizabeth Pryce und Jessica Fuller heißen).

Unterm Strich kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Winterbottom sich für "Die Augen des Engels" auch aus Popularitätsgründen jenes Mordfalls bedient hat und eine fiktive Geschichte ebenso gut dienen hätte können - so bleibt man recht ratlos mit einer kritischen wie befremdlichen Skizze zurück.

Ab Fr in den Kinos (OmU im Votiv)

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