DER BOULEVARD DES ARBEITERS
Am Gürtel erbaute das Rote Wien seine Volkspaläste. Ein Spaziergang über die einstige "Ringstraße des Proletariats", der nun eine Ausstellung gewidmet ist
"Die Menschen, die in unseren neuen Häusern wohnen, sind neue Menschen, leben und atmen nicht nur in neuen Räumen, sondern fühlen und denken auch anders"
Julius Tandler, Arzt und sozialdemokratischer Politiker (1869-1936)
Stefanie Antoniassi ist eine der Letzten, die sagen können, der Bürgermeister Karl Seitz habe sie geküsst. Im Juni 1928 war das, bei der Eröffnung des Matteottihofs in Margareten, gleich beim Gürtel. Der Matteottihof ist ein richtiger Arbeiterpalast, benannt nach dem von italienischen Faschisten ermordeten Sozialisten Giacomo Matteotti. Tausende Besucher kamen zu seiner Eröffnung. Die kleine Stefanie sagte ein Gedicht auf und bekam dafür ein Busserl vom roten Stadtvater auf die Wange gedrückt.
Vor 150 Jahren leistete sich die Bourgeoise ihren noblen Boulevard, die Ringstraße, vom Kaiser befohlen, mit einem mächtigen Triumphzug im Jahr 1865 eröffnet. Gebaut wurde diese Prunkstraße der Reichen von tausenden rechtlosen Arbeitern, die selbst in den schlimmsten Löchern hausten -sofern sie überhaupt ein Dach über dem Kopf hatten.