Hirn mit Ei

Peter Iwaniewicz verwendet als jemand, der Tiere liebt, das Wort „Gänsefüßchen“ statt „Anführungszeichen“

Kolumnen, FALTER 23/2015 vom 02.06.2015

Das Leben als Biologe ist eins der schwersten. Die eine Hälfte der Bevölkerung hält dies nur für ein Hobby („Mhm, ein Biologe. Und was machen Sie sonst tagsüber?“), während einen die andere Hälfte mit gleichermaßen kuriosen wie unlösbaren Fragen traktiert, die immer mit „Du bist doch Biologe, da weißt du sicher …“ eingeleitet werden. Mal sind es seltsame Geräusche im Haus („Was ist das für ein Tier?“), dann unerklärliche rote Flecken auf der Haut („Welche Spinne hat mich da gestochen?“) oder missgestaltete Topfpflanzen („Wie oft muss ich den Gummibaum düngen?“).

Wer in diesem Soziotop als Biologe überleben will, lernt schnell, dass es sich dabei um rein rhetorische Fragen handelt, auf die keine Antwort, sondern nur Zustimmung erwartet wird. Reagiert man naiverweise trotzdem darauf („Steinmarder / Spinnen stechen nicht, sondern beißen / dem Baum fehlt vor allem Licht“), dann wird man über die eigentlich erwartete Antwort informiert. Dies zuerst noch höflich („Kann das nicht etwas anderes sein?“), dann trotzig („Mir kannst du ja alles einreden“) und schließlich wild um sich schlagend („Du hast ja keine Ahnung!“).

Neulich lernte ich den neuen Begriff „Mansplaining“ kennen. Er setzt sich aus den englischen Wörtern man und explaining zusammen und meint jemanden, der sich ohne fachliche Kompetenz und nur aufgrund der Tatsache, ein Mann zu sein, das Recht herausnimmt, andere – im Besonderen Frauen – zu belehren. Früher hieß das „male chauvinistic pig“.

Manche Männer begründen immer noch ihre angemaßte Überlegenheit gegenüber dem anderen Geschlecht durch ein größeres Gehirn (Durchschnittswerte Frau: 1245 g; Mann: 1375 g). Unklar war bislang, ob es sich für Lebewesen evolutionär lohnt, in ein größeres Gehirn zu investieren, da doch Gehirnmasse teuer in der Entwicklung und im Erhalt ist. In einer aktuellen Studie der Vetmeduni Vienna und der Universität Stockholm wurde nun erstmals bewiesen, dass ein größeres Gehirn Vorteile hat. Weibliche Fische mit größeren Gehirnen überlebten Gefahrensituationen deutlich häufiger und hatten mehr Nachkommen als Weibchen mit kleineren Gehirnen.

Schlechte Nachricht für all jene mit männlichen Keimdrüsen: Bei Männchen scheint ein großes Gehirn keine Vorteile zu bringen.

Verdammt! Wo ich doch gerade in dieses Organ so viel investiert habe.

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