Eine Achterbahnfahrt für meine slawische Seele
Ich bin schon rein somatisch ein dermaßen konservativer Sack, dass ich selbst Sachen, die mir voll aufs Schuhband gehen, irgendwann unter "liebgewonnene Tradition" verbuche, sofern sie sich nur wiederholen. Hiezu zählt etwa der Umstand, dass alle Tschechow-Aufführungen (für manierierte Transliterationsfifis: Čechov) bei den Wiener Festwochen immer dann stattfinden, wenn ich im Waldviertel bin. Jetzt gibt's "Tschechow" auf einmal auch nach Pfingsten. Natürlich dachte ich sofort: Erdbeeren im Februar braucht keiner, aber ich will jetzt mal nicht so sein.
Es war mir dann indes echt nicht recht, denn Theater mit Pistolen und Publikumseinbindung fürchte ich wie sonst nur Wahnsinn, Siechtum und Vernissagen ohne Bier. Schon dass das Licht nicht ausgemacht wurde, ließ Schlimmes erahnen, nämlich dass man angetreten war, Sehgewohnheiten infrage zu stellen, Genrekonventionen zu brechen, Grenzen zu subvertieren -solcher Quatsch halt. Tatsächlich war die Aufführung vollkommen albern, aber nicht albern albern, sondern artsy albern: kübelweise Klamauk für Theaterbesucher, die noch nie einen Film mit Jerry Lewis oder Louis de Funès gesehen haben, es also nicht besser wissen.