Bombenbogen
Das waren Zeiten! Österreich zitterte vor den Briefbomben. Die Sonderkommission des Innenministeriums tappte im Dunkeln, ebenso wie die Sonderkommissionen innerhalb der Redaktionen. Jene des Falter war wenigstens so freundlich, zweckdienliche Hinweise abzudrucken.
Wenn sich so ein Kuvert elastisch oder knetbar anfühle oder ein Luftpolster enthalte, dürfe man es keinesfalls öffnen! Fettflecke seien äußerst verdächtig, auch fantasievolle Absenderadressen müssten misstrauisch machen. All das führte dazu, dass der Falter den Entminungsdienst rief, als ein weiches, fettiges, auffällig schweres Päckchen auftauchte. Josef Egger, der Mann am Empfang, hatte es als verdächtig klassifiziert. Im Zimmer des heutigen Chefredakteurs wurde es geöffnet. Der Beamte wies die Anwesenden hinter eine Feuermauer, setzte eine Gesichtsmaske auf und schnitt mit einer an einer langen Stange befestigten Schere das Kuvert auf. Es enthielt 20 Briefe einer Partneragentur an diverse Kleinanzeiger.
Eine politische Bombe zündete der Klubobmann der ÖVP, Andreas Khol. Er erklärte, die FPÖ Jörg Haiders befinde sich "außerhalb des Verfassungsbogens". Khol schrieb einen meiner Erinnerung nach solitär gebliebenen Kommentar im Falter.
Er und sein roter Kollege Peter Kostelka wollten den politischen Begriff des Verfassungsbogens "politisch fruchtbar machen" und darauf hinweisen, dass manche Gesetze der Verfassungsmehrheit bedürften, schrieb Khol; da sei es eben notwendig, dass eine Partei wie die FPÖ, die solche mitbeschließen müsse, sich auf dem Boden der Verfassung befinde. Verfassungsbogen sei nicht, wie die wehleidigen Haider-Jünger sogleich behaupteten, mit Verfassung gleichzusetzen.
Neben jenen Parteien, die die Verfassung weiterentwickeln wollen, "gibt es derzeit eine andere Partei, die F-Bewegung, welche diese Verfassung insgesamt total abändern und eine andere Republik, die dritte Republik will". Fünf Jahre später war die Sache zurechtgebogen, und die ÖVP koalierte mit Haider.