"Sie sind jetzt einfach da"
Der deutsche Politologe und Syrien-Experte Volker Perthes über die Ursachen der Flüchtlingswelle und die Notwendigkeit, mit dem Assad-Regime zu verhandeln
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Wo sind die Frauen schöner und die Feste wilder, in Damaskus oder in Beirut? Die Burschen am Wiener Westbahnhof sind sich nicht ganz einig. Am Ende gewinnt doch die syrische Hauptstadt. „Nach Beirut sind wir nur, wenn wir ein bisschen Abwechslung haben wollten“, sagt Eyad. Zu Hause, da hatte der 21-Jährige einen eigenen Handyshop. Bilder davon stehen noch auf seiner Facebookseite, man muss nur weit genug hinunterscrollen.
Am Donnerstag war Ausgehen angesagt, Wasserpfeife-Rauchen, Kartenspielen oder die Disco. „Wir hatten Spaß, wir hatten Arbeit, Familie, einfach ein gutes Leben“, sagt Abdulhamid. Bis der Krieg kam. Jetzt verbringen sie die warmen Tage auf der Donauinsel oder gehen nach dem Deutschkurs auf den Westbahnhof und helfen neu angekommenen Flüchtlingen. „Vorige Woche habe ich einen Afghanen, der nicht schwimmen konnte, auf der Donauinsel aus dem Wasser gezogen“, erzählt Emad, der in Syrien neben seinem Studium als Schwimmlehrer arbeitete. Er habe sich gewünscht, es wäre ein Österreicher gewesen, den er gerettet hat, scherzt der Bursche: „Dann wäre ich berühmt geworden und in der Zeitung gestanden!“
Die jungen Männer sind sechs von vielen Tausenden, die es auf der Flucht vor dem Krieg in Syrien bis nach Österreich verschlägt. 15.000 Menschen kamen alleine vergangenen Montag über die ungarische Grenze nach Österreich. Die allermeisten wollen weiterziehen, nach Deutschland, Schweden oder Norwegen. Sehr viele werden aber hier bleiben. Weil Deutschland und andere Staaten ihre Grenzen schließen. Oder sie sind geblieben, weil sie von österreichischen Polizisten erwischt wurden.