Von Ungarn nach Österreich über Panama
Hat der Wiener Investmentbanker Heinrich Pecina einem ungarischen Staatsbanker Millionen für wertvolle Informationen bei einem Aktiendeal mit der OMV bezahlt? Er bestreitet das

Beim diskreten Transfer von Millionen einer Briefkastenfirma aus Panama nach Wien war Investmentbanker Heinrich Pecina behilflich (Foto: APA/Helmut Fohringer)
Heinrich Pecina ist ständig auf der Suche nach Gelegenheiten, Geld möglichst gewinnbringend zu veranlagen. 100 Tage im Jahr verbringt der Wiener Investmentberater auf Reisen, viele davon führen ihn nach Osteuropa. Dabei hat er feste Rituale: Keine Geschäftstermine, bevor er nicht sein Hotelzimmer bezogen hat. „Ich schaue mir mein Zimmer an, richte alles so her, wie ich es brauche, packe den Koffer aus. So gewinne ich die Zeit, die man braucht, um sich mit einem Ort geistig zu vernetzen“, erklärte er einmal dem Wirtschaftsmagazin Trend. An Vernetzung mangelt es Pecina nicht. Insbesondere in den Ländern des ehemaligen Ostblocks.
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Hier hat er Privatisierungen als Berater begleitet, Deals mit milliardenschweren Oligarchen abgeschlossen und Beteiligungen für große Investmentfonds an Land gezogen.
Heinrich Pecina unterhält gute Beziehungen nach Ungarn. Etwa zu einem hierzulande eher unbekannten Mann namens Janos Erös. Erös war bis 2010 Generaldirektor der staatlichen ungarischen Entwicklungsbank MFB, ein hochrangiger Manager in Staatsdiensten. Die geschäftlichen Lebenslinien der beiden Männer haben einen geografisch etwas abwegigen Schnittpunkt: Panama. Dort besitzt Janos Erös eine Briefkastengesellschaft namens Garuda Group.
Dies geht aus Unterlagen der Kanzlei Mossack Fonseca hervor, die Falter und ORF in Zusammenarbeit mit der Süddeutschen Zeitung und zahlreichen Partnermedien des International Consortium of Investigative Journalists untersucht haben. Heinrich Pecina und Janos Erös sollen ihre Geschäfte über das ferne Panama abgewickelt haben. Wozu der Umweg?
Die Rede ist von einer Börsen-Übernahmeschlacht, die in den Jahren 2007 und 2008 tobte. Die österreichische OMV wollte dabei den ungarischen Ölkonzern MOL kaufen. Die versuchte feindliche Übernahme hat alle Zutaten, die ein Wirtschaftskrimi braucht: Milliardentransaktionen und politische Einflussnahmen. Auch verbotene Insidergeschäfte?
Eine perfekte Gelegenheit für gewiefte Geschäftsleute, auf einen Schlag viel Geld zu verdienen.
Eine perfekte Gelegenheit für Heinrich Pecina.
Heinrich Pecina war in den 90er-Jahren Vorstand der Creditanstalt Investment Bank, bevor er sich mit der Vienna Capital Partners AG (VCP) selbstständig machte. Die VCP ist ein Private Equity Investor, im Grunde so etwas wie eine Investmentbank. Das Unternehmen, an dem die Collegia Privatstiftung von Heinrich Pecina die Mehrheit hält, berät Investoren bei Übernahmen, greift aber auch selbst gerne zu. Und zwar im großen Stil. In den vergangenen zehn Jahren hat die VCP Milliardengeschäfte getätigt, vornehmlich in Südosteuropa.
Auch bei der Übernahmeschlacht der OMV um den ungarischen Mineralölkonzern MOL hat Pecina im Sommer 2007 eine aktive Rolle gespielt. Die OMV hatte sich bei der MOL eingekauft und wollte den Konkurrenten zur Gänze schlucken. In so einer Situation zahlen Unternehmen mehr als den Börsenkurs, wenn sie große Aktienpakete auf einen Schlag erwerben können.
Genau in diesen Tagen landete Heinrich Pecina einen Coup. Er übernahm von dem russisch-ungarischen Oligarchen Megdet Rahimkulow 5,6 Millionen MOL-Aktien. Am 25. Juni 2007 gab der ungarische Ölkonzern MOL bekannt, dass Pecinas VCP damit insgesamt 6,186 Prozent der MOL-Anteile hält. Noch am selben Tag verkaufte er die Aktien an die OMV weiter. Damals lag der gesamte Börsenwert der MOL bei rund 12,7 Milliarden Euro, Pecinas Anteile wären demnach etwa 785 Millionen Euro wert gewesen. Und für die OMV unter dem damaligen Generaldirektor Wolfgang Ruttenstorfer noch mehr. Wie man bei der OMV hinter vorgehaltener Hand bestätigt, zahlte die OMV für Pecinas Anteile deutlich mehr als den Börsenkurs.
Aber warum hatte es Pecina so verdammt eilig mit dem Verkauf der Anteile?
Vielleicht wusste er etwas, was der OMV den Appetit an der MOL verderben würde, sagte es aber der OMV nicht weiter?
Um sich gegen die Avancen der OMV zu wehren, hatte die MOL einen Abwehrplan geschmiedet. Und dieser trat nur eine Woche nach dem Pecina-Deal mit der OMV in Kraft. Die Ungarn kauften im großen Stil eigene Aktien, um sie vor dem Zugriff durch die OMV zu schützen. Um den Aktienkauf zu finanzieren, brauchte die MOL Partner. Mehrere ungarische Staatsunternehmen kamen auf politischen Druck zu Hilfe. So erwarb auch die von Pecinas Geschäftsfreund Janos Erös geführte MFB Bank mit 2. Juli 2007 10.933.000 Anteilsscheine. Damit hatte die MOL eine stabile Eigentümerstruktur und große Teile der eigenen Aktien aus dem Verkehr gezogen. Die Pläne der OMV waren durchkreuzt.
Janos Erös muss also frühzeitig vom Plan der MOL gewusst haben, schließlich musste er als Generaldirektor der MFB Bank ja dabei mitmachen. Was, wenn er seinem Geschäftsfreund Pecina etwas von den ungarischen Plänen zugeflüstert hätte? Dann hätte er ihm Insiderwissen anvertraut. Börsegeschäfte auf Basis von Insiderwissen sind verboten. Sowohl Pecina als auch Erös wurden Anfragen übermittelt. „Die gestellte Frage ist absurd und entbehrt jeglicher Grundlage“, lässt Pecina ausrichten. Erös wollte keine Stellungnahme abgeben.
Es lässt sich allerdings beweisen, dass die beiden Männer zu dieser Zeit geschäftliche Kontakte hatten: Ende 2007 verkaufte Pecinas Collegia Privatstiftung eine Gesellschaft namens Wintercastle um rund 50.000 Euro an die von Mossack Fonseca in Panama eingetragene Garuda Group. Wirtschaftlicher Berechtigter von Garuda ist Janos Erös. Der Hintergrund der Transaktion ist nebulös. Denn Pecina hatte die Gesellschaft selbst erst im Juni 2007 erworben. Bald nach dem Erwerb lässt Erös die Wintercastle liquidieren.
Es lässt sich ebenfalls beweisen, dass die Garuda Group von Janos Erös über ein Konto bei der Schweizer Bank UBS verfügte. Und über sehr viel Geld. Woher das Geld stammt, lässt sich allerdings nicht nachvollziehen. Ob es der Lohn für einen Tipp ist, der verdammt viel Geld wert war? Jedenfalls hatte Erös irgendwann ein gesteigertes Interesse, das Geld aus Panama rauszubekommen. Und dabei half ihm Heinrich Pecina.
Am 8. Juli 2009 werden 5,4 Millionen Euro vom UBS-Konto der Garuda abgebucht. Der Empfänger heißt VCC Financial Information Services GmbH, eine hundertprozentige Tochtergesellschaft von Pecinas Vienna Capital Partners. Deklariert ist die Überweisung als Darlehen. Warum benötigt eine Tochtergesellschaft einer Investmentbank ein Darlehen von einer Panama-Gesellschaft? Wie lässt sich das erklären?
Im Rahmen einer Betriebsprüfung bei Vienna Capital Partners war auch den Finanzprüfern das merkwürdige Darlehen aufgefallen. „Seitens der Betriebsprüfung kann objektiv kein finanzieller Grund gefunden werden, weshalb es beim geprüften Unternehmen (VCP, Anm.) zu einer Kreditaufnahme gekommen ist“, heißt es in einem Bericht. Die VCC Financial Information Services GmbH zahlte die 5,4 Millionen Euro im November 2009 zurück – nach nur vier Monaten.
Allerdings nicht nach Panama. Die Garuda Group hatte Pecina schriftlich mitgeteilt, dass er das Geld auf das Wiener Konto eines Treuhänders überweisen soll. Es hat zumindest den Anschein, als wäre dies der einzige Zweck der Übung gewesen: Millionen aus einer Steueroase unbemerkt nach Europa zu bringen. Ein Verfahren wegen Geldwäscheverdachtes wurde im April 2015 nach einem Jahr ohne Ergebnis eingestellt. „Hinsichtlich der Geldwäscherei ist kein strafrechtliches Verhalten erweislich“, so die Begründung.
Vielleicht führen die Informationen aus den Panama Papers dazu, dass diese wieder aufgenommen werden.