Der Maiaufstand
Werner Faymann spaltet die Sozialdemokratie. Der linke Flügel droht sich abzuspalten. Wie hat der Kanzler das geschafft, und wer folgt ihm nach?

Foto: Heribert Corn
Der Maiaufmarsch, der in die Geschichte der österreichischen Sozialdemokratie eingehen wird, begann harmlos und humorvoll. Im Bus der jungen Gewerkschaft lag ein Schild, auf dem „Orgasmus statt Rassismus“ geschrieben stand. Die roten Rauchfangkehrer stolzierten mit den roten Besen, ein roter Bummelzug aus der Sektion Meidling zuckelte über den Rathausplatz, und die roten Rocker knatterten auf ihren Harleys am Bürgermeister vorbei. Der winkte von oben auf der Tribüne wie jedes Jahr rituell grantelnd mit dem roten Taschentuch hinunter. Die Rituale funktionierten, zumindest bis zehn Uhr morgens.
Dann kletterte der Bundeskanzler auf die Tribüne. Er wippte hin und her, sein Lächeln wirkte verlegen, ja fast etwas ängstlich. Unten auf dem Rathausplatz drängten sich auffällig viele Genossinnen und Genossen hinter einem riesigen Netz roter Ballons. Auf der rechten Seite zückten Genossen wie auf Befehl „Werner, der Kurs stimmt!“-Schilder. So als ob das hier irgendwer gleich infrage stellen würde. Die Parteifreunde hinter den Luftballons hatten sich inzwischen ganz vorn bei der Tribüne links aufgestellt, dort, wo die Kameras hinschwenkten.
Kaum ergriff Werner Faymann das Wort, rissen sie ihre roten Schilder empor. „Rücktritt!“, „Parteitag jetzt!“ stand darauf geschrieben. Und auf einem großen weißen Transparent „Obergrenze für Wahlniederlagen!“. Hätte man die Spaltung der Partei geografisch verorten wollen, hier auf dem Rathausplatz war sie ganz real zu besichtigen.