Menschen
If you like it - put a ring on it
Im Schnitt ist der Wiener Ring jeden vierten Tag für Demonstrationen und Paraden aller Art gesperrt. Hier wurde eine Bademanteldemo zu Udo Jürgens' Geburtstag abgehalten, ein Trauerzug gegen die Bevormundungspolitik der Regierung und ein Kuss-Flashmob für das gescholtene Café Prückel. Aber so einen skurrilen Tag wie den vergangenen Samstag hat der Ring wahrscheinlich länger nicht erlebt. Wo fangen wir an? Da war zunächst einmal der Marsch für Jesus, den der Verein Christen in Wien veranstaltet hat, zu dem sich David Alaba bekannte und der Außenminister Sebastian Kurz kam. Der Marsch warb für seinen Glauben, Kardinal Christoph Schönborn auch, er sprach über Religionsfreiheit und Christenverfolgung, die Gemeinderätin der ÖVP Gudrun Kugler über falsche und richtige Führer. Auf dem Heldenplatz gab es Konzerte von Jesus-Pop-Bands, die sehr angenehme Musik machten und die Hörer aller Länder in ihren "I love Jesus"-Shirts zum Schunkeln brachten.
Das war aber noch lange nicht alles, was an diesem Samstag auf dem Wiener Ring rund ging. Es war auch der Tag der Regenbogenparade, die sich jedes Jahr anlässlich des bei uns so genannten Christopher Street Day irgendwo zwischen politischem Player und arger Party positioniert. Lesbische, schwule, bi-und asexuelle, trans-und intergeschlechtliche Menschen und alle, die dafür eintreten, dass Genannte die gleiche Akzeptanz und Rechte wie heterosexuelle bekommen, gingen und fuhren auf verzierten Wagen zu House-Musik in Fahrtrichtung.
Im Jahr 1996 feierte Wien seine erste Regenbogenparade. Damals hätten die Veranstalter wahrscheinlich nicht zu hoffen gewagt, dass ihre Sause 20 Jahre danach, eine Woche nach einem grauenhaften Terroranschlag in den USA, immer noch so wichtig sein würde. Unter dem Titel "Die Liebe ist stärker" gedachten tausende Teilnehmer der Parade nicht nur der Opfer des HI-Virus, sondern auch explizit jener des Attentats in Orlando.
Die Homosexuelle Initiative (HOSI) Wien veranstaltete heuer zusätzlich zur Parade auch den dreitägigen "Regenbogenpark". Das war der Sigmund-Freud-Park vor der Votivkirche, wo sich Vereine, Einrichtungen und Lokale der LSBTI-Szene präsentierten. Der berühmte Alfons Haider war da und der deutsche Designer und ehemalige Dschungelcamper Julian F.M. Stoeckel mit ihm. Nach der Parade gab's dort auch eine Abschlusskundgebung. Es sprachen Eugene S. Young, der Geschäftsträger der US-Botschaft in Wien, und dann tatsächlich auch der Bundeskanzler Christian Kern. Er begann mit "Ich bin der Bundeskanzler und ich bin auf der Regenbogenparade. Ja und?" und schloss mit "Ihr seid stark, ihr seid engagiert. Wir brauchen euch!". Er war der erste österreichische Kanzler bei einer Regenbogenparade. Später gab es After-Show-Partys mit Strippern und Rave-Musik.
Randerscheinung dieses gemischten Wiener Doppels war die Gegenveranstaltung zur Regenbogenparade, an der die auch nicht unoriginellen Georg Immanuel Nagel (Pegida), Ursula Stenzel (FPÖ) und Marcus Franz (ohne) mitwirkten. Und ob Sie's glauben oder nicht, auch die Gegenveranstaltung hatte eine eigene kleine Gegen-Gegenveranstaltung -organisiert von der Sozialistischen Linkspartei.