Zweieinhalb Seiten Realpolitik
Der sogenannte EU-Türkei-Deal ist die einzige Hoffnung für Europas Flüchtlingspolitik, sagen die einen. Europa lässt sich erpressen, sagen die anderen. Wie es um seine Umsetzung steht
Wer bei der Drogerie ums Eck eine Kundenkarte will, muss ein Formular unterschreiben. So ist es auch bei einem neuen Handy-oder Mietvertrag oder wenn man auf die Bank geht, um beim Girokonto einen Dauerauftrag einzurichten. Dasselbe gilt auch für die hohe Politik, sollte man meinen. Wenn man sich etwas ausmacht und will, dass es hält, dann muss man unterschreiben. Doch politische Abläufe funktionieren im Gegensatz zu unserem Alltag formal mitunter weit simpler. Das zeigt der sogenannte EU-Türkei-Deal zur Flüchtlingsfrage. Bei diesem vielzitierten, so bedeutenden und umstrittenen Politikum gibt es statt eines offiziellen Abkommens nur einen dürren Text. Ausgedruckt gehen sich die neun Punkte, die er umfasst, auf zweieinhalb A4-Seiten aus. Eigentlich firmiert dieses sogenannte Statement lediglich als Pressetext. Es ist eine Vereinbarung, unter die niemand von den Verhandlern, weder türkische noch EU-Politiker oder nationale Regierungschefs, eine Unterschrift gesetzt hat. Es ist keine rechtliche Vorschrift, sondern lediglich ein politisches Commitment. Verträge sind aber einzuhalten, auch wenn sie mündlich sind und nur von einem Händedruck zusammengehalten werden.