Am Apparat Telefonkolumne
Wollen Sie vor Gericht gefilmt werden, Herr Schillhammer?
In einem Interview mit dem Standard hat Justizminister Wolfgang Brandstetter vergangene Woche eine für viele unerwartete Gesetzesreform angekündigt. Sein Ministerium arbeite derzeit an einem Paket, das Urteilsverkündungen, die von besonderem öffentlichen Interesse sind, künftig live im Fernsehen möglich machen soll. Was denken Österreichs Anwälte darüber? Ernst Schillhammer, einer der besten Strafverteidiger des Landes, antwortet:
Was halten Sie vom Vorschlag des Bundesministers, Gerichtsurteile künftig live übertragen zu lassen?
Es ist nicht meine wichtigste Forderung einer Justizreform, aber wir Strafverteidiger halten diesen Vorschlag sicher für überlegenswert. Davor müssen aber noch einige Details geklärt werden.
Warum sollte es Live-Übertragungen aus Gerichtssälen brauchen?
Gerichtsverfahren sind grundsätzlich öffentlich. Es besteht ein berechtigtes Interesse an den Urteilen und wie sie zustande kamen. Die Hauptverhandlung selbst hingegen sollte nicht zu einer Show werden.
Sie sagten, es müssten davor noch einige Details geklärt werden. Welche?
Das größte Problem ist der Identitätsschutz der Prozessparteien. Ein Urteil hat alles wiederzugeben, was für die Entscheidung von Bedeutung war. Das würde zum Beispiel heißen, dass alle Zeugen damit einverstanden sein müssen, dass ihre Identitäten und persönlichen Umstände öffentlich preisgegeben werden. Manche werden das ablehnen, manche wahrscheinlich sogar wünschen.
Wie könnte man das lösen?
Wenn das schriftliche Urteil erhalten bleibt und fürs Fernsehen Namen anonymisiert und gewisse Umstände chiffriert werden, sehe ich in dieser Hinsicht keine Probleme.
Bedeutet das nicht eine enorme Verzögerung von Strafprozessen, wenn solche Fragen vorher abzuklären sind und ein eigenes Urteil für die Kameras geschrieben werden muss?
Natürlich. Der Prozessbeschleunigung dient das nicht.