TV-Kolumne
Zeit am Schirm
Anscheinend ist das Bedürfnis nach Realitätsflucht gegenwärtig weit verbreitet. Wie sonst ließe sich die üppige Auswahl an Seelenstreichlern erklären, die die US-amerikanischen Serienmacher derzeit auf den Markt werfen? Bestes Beispiel: Stranger Things 2, die zweite Staffel der Science- Fiction-Mystery-Serie von Netflix.
Die zweite Staffel führt fort, was bereits die erste zum Erfolg machte: eine sentimentale Zeitreise, wobei jede einzelne Folge überfrachtet ist mit 80er-Jahre-Zitaten -der Soundtrack, die Mode, die Videospiele, die Charaktere und die heile Gruselwelt, die irgendwo zwischen Spielberg und King oszilliert, sowieso. In Staffel zwei bleibt alles beim Alten, bloß werden ein paar neue Figuren hineingewürfelt: Dickerchen Bob etwa, dessen späterer selbstloser Tod von der ersten Sekunde an klar ist. Oder der aggressive Frauenheld Billy, der vermutlich in Staffel drei geläutert oder geopfert werden wird, und seine Stiefschwester, die als Zeichen der Emanzipation Skateboard fahren und einen Männernamen (Max) tragen darf. Helden bleiben die Burschen, die Frauenfiguren blass und Quote.