Fragen Sie Frau Andrea
Wo das Knödel herkommt
Liebe Frau Andrea, im letzten Falter wird der scheidende Wiener Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny gefragt, wie es ihm gelungen sei, "dem Bürgermeister den Knödl fürs Wien Museum doch noch herauszureißen". Hat "das" Knödel jetzt das Geschlecht gewechselt? Vielen Dank für die Aufklärung, Aniko Pecs, per E-Mail
Liebe Aniko,
wir bewegen uns innerhalb des Wienerischen, wo "Gnedl" den Kloß bezeichnet, gleichzeitig aber auch das Geld. Gemeinhin wird das damit erklärt, dass Geld mit den Fingern geknetet wird. Wie Teig, wie Knödelmasse. Immerhin sagen auch die Deutschen "Knete" zum Geld, meinen manche Dialektforscher. Bezeichnen doch Ausdrücke mit dem Anlaut "kn-", Wörter wie Knolle, Knauf, Knopf, Knüppel, Knospe, Knubbel, Knorpel, Knorren, Knoten, allesamt verdickte Gegenstände. Geld aber ist flach, Münzen wie Scheine. Verführerisch wäre es, hier einzuwenden, auch die anglosächsische Umgangssprache kenne ja solch ein Synonym für Geld, nämlich "dough", Teig.
Ein Hinweis auf eine ganz andere Herkunft liefert allerdings der Artikel von Gnedl. Im Wienerischen ist das Wort nämlich sächlich: das Gnedl (eigentlich "es Gnedl"). Das Jiddische, von dem unser Wort mit einiger Wahrscheinlichkeit kommt, kennt jedenfalls "genewo","gnéjwe"(Mehrzahl gnéjwess) als Bezeichnung für den Diebstahl und das Diebsgut. Jiddisch Gánew (Mehrzahl Ganówim) kommt vom hebräischen ganāb und bezeichnet den Dieb, er hat sich umgangssprachlich in den Ganoven verwandelt.
Die Knete kommt im Deutschen also nicht vom Geknetenen, sondern vom Ganneiw(t)en. Im Wienerischen hat jene Schicht, der die sprachlichen Zusammenhänge im Jiddidschen und Rotwelschen nicht mehr geläufig waren, aus dem Gennejwten, Gnejwten, das Gnejwdl und schließlich das Gnedl, Knödel, geformt. Mit dem Knödel, dem Kloß, hat das Geld nichts zu tun. Andere, aus dem Gaunersprachlichen in die bürgerliche Alltagssprache übergetretene Synonyme für Geld sind der Flieder (von Flitter), das Gerschdl (von Gerste) und die Königin aller Pekuniärbezeichnungen: die Marie (von Romani "maro", Brot). Es gibt also doch Teig in unseren Taschen.
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