Erscheinungen Personen, Trends, Kampagnen

Thailand und die Macht des Einzelnen

Kommentar: Anna Goldenberg
Medien, FALTER 29/18 vom 18.07.2018

Bei der Rettung des thailändischen Fußballteams aus der Tham-Luang-Höhle waren rund 1000 Journalisten aus aller Welt vor Ort, auch der ORF hatte eigens einen Korrespondenten eingeflogen. Die Geschichte berührte und faszinierte, wie ein Hollywood-Actionfilm in der Wirklichkeit: Sympathische Helden. Das Böse ist eine höhere Gewalt - das Wetter -im Urlauberparadies Thailand. Ein Wettlauf gegen die Zeit. Und gute Bilder von der Bergung.

Wer kritisiert, dass das öffentliche Mitgefühl gegenüber ertrinkenden geflüchteten Kindern im Mittelmeer ungleich geringer sei, übersieht den wichtigsten Unterschied: Es ist einfacher, dem Einzelnen oder einer kleinen Gruppe gegenüber empathisch zu sein. Eine scheinbare Masse unbekannter Menschen in einem Boot oder nahe einem Grenzübergang wirkt bedrohlich. Doch wir erinnern uns etwa an den toten dreijährigen Syrer Aylan Kurdi -wenn ein Mensch in seiner Individualität sichtbar wird, bewegt das die Zuseher und bisweilen auch die Politik. Guter Journalismus muss hinsehen und die Geschichten erzählen, die den Einzelnen aus der Masse hervorheben.

In Thailand war das einfach, denn für die international kritisierte Militärjunta waren die jugendlichen Helden willkommene PR. Der Spiegel berichtete, dass kritische Journalistenfragen ignoriert wurden, etwa nach ausreichenden Warnhinweisen an der Höhle. Entnervt ob dieser strengen Richtlinien verließen ausländische Rettungskräfte die Höhle und halfen bei einem Bootsunglück in Phuket. Dort kamen, fernab vom Medientrubel, 41 Menschen ums Leben -vermutlich wegen fehlender Sicherheitsstandards. Die Geschichte der Einzelnen war nicht relevant.

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