TV-Kolumne

Zeit am Schirm

Matthias Dusini
Medien, FALTER 29/18 vom 18.07.2018

Das Wunder von Lassing: So wird das Grubenunglück vom 17. Juli 1998 genannt. In der steirischen Gemeinde starben zehn Bergleute, die einen Verschütteten retten wollten, der zehn Tage später befreit wurde. Die Bilder von Tod und Auferstehung gingen um die Welt. 20 Jahre später füllten die Liveaufnahmen aus einer thailändischen Höhle alle Kanäle. Zwölf Buben und ein Erwachsener waren in dem Raum nach starkem Regen eingesperrt und kamen erst nach 17 Tagen frei.

Mehr als der voyeuristische Nervenkitzel bannt die eigene Furcht vor der Finsternis die Menschen. In Vor-TV-Zeiten drückte sich diese Urangst im Bild vom lebendig Begrabenen aus, der verzweifelt gegen den Sargdeckel klopft. Das große Interesse an unterirdischen Dramen lässt sich auch anders erklären. Es zeigt die Bereitschaft eines Publikums, sich auf das Leid anderer einzulassen. Der Zeitgeist propagiert zwar die Empathielosigkeit und nimmt hässliche Bilder in Kauf. Das Drama in der thailändischen Unterwelt erinnert aber daran, dass die Herzen der Zuseher nicht aus Stein sind, auch wenn kein Steirer dabei ist.

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