Film Neu im Kino

Gemeinsame Trauerarbeit: "Bruder Jakob"

Sabina Zeithammer
Lexikon, FALTER 37/18 vom 12.09.2018

Im französischen Originaltext des Kinderlieds "Bruder Jakob, schläfst du noch?" soll der berühmte Frère Jacques zum Nachtgebet läuten, also seine Ordensbrüder zusammenrufen. Auch die vier Brüder von Jakob Bohun hätten sich gewünscht, dass dieser sie in seinen dunkelsten Stunden zusammen-und zur Hilfe gerufen hätte. Doch der österreichische Anästhesist, der nach Portugal ausgewandert war, nahm sich 2014 das Leben.

Zwei Jahre später versammelte der Filmemacher Stefan Bohun seine verbliebenen Brüder um sich, um ihre Trauerarbeit zum Inhalt eines Films zu machen. In "Bruder Jakob, schläfst du noch?" begeben sich die Männer an Jakobs Sehnsuchtsorte in Tirol und reisen nach Porto, um sein Grab, seine Arbeitsstätte und das Hotelzimmer aufzusuchen, in dem er gestorben ist. In intensiven Gesprächen tauschen sie dabei ihre Gefühle bezüglich Jakobs Suizids aus, die von Schmerz über Schuld und Wut bis zu Unverständnis reichen, und stellen sich ihrem nicht immer einfachen Verhältnis als Brüder.

Wie die Orte -leuchtende Täler und winterliche Strände, Berghütten und das kleine Hotelzimmer, ein nächtlicher Kfz-Innenraum und ein windumtoster Berggipfel -wechseln die Stimmungen. Es wird auch musiziert und geblödelt, ein Widerhall jener Homevideo-Bilder aus der Kindheit und Jugend, die Bohun einfließen lässt. Jakob selbst kommt in zitierten Briefen zu Wort, die Erinnerungen einer Arbeitskollegin und Freundin Jakobs bringen eine wertvolle Außensicht hinein.

Kameramann Klemens Hufnagl gießt all das in poetische Bilder, die oft mehr an einen Spielfilm denken lassen. Das ist auch inhaltlich stimmig: "Bruder Jakob" kann und will als Doku nicht aufdeckend informieren, sondern ist eine hoch persönliche Ermutigung, zusammenzufinden und sich einander zu öffnen.

Ab Fr in den Kinos (OmU im Votiv)

ANZEIGE

Fanden Sie diesen Artikel interessant? Dann abonnieren Sie jetzt und bleiben Sie mit unserem Newsletter immer informiert.

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren:

Alle Artikel der aktuellen Ausgabe finden Sie in unserem Archiv.

12 Wochen FALTER um 2,17 € pro Ausgabe
Kritischer und unabhängiger Journalismus kostet Geld. Unterstützen Sie uns mit einem Abonnement!