Theater Kritik
Gott ist ein 48er und Liliom ein Fighter
Der Theatersaal ist ein Wiener U-Bahn-Schacht, das Publikum auf beiden Seiten. Das Vorhandensein eines Mistkübels ändert nichts daran, dass es meistens ziemlich ausschaut. Die Wände rundherum sind mit Sprüchen wie "Mutti ist die Bestie" und "We all bleed the same colour" vollgesprüht. Aus den acht Sesseln, die die Wartebankerln bilden, entsteht immer wieder ein Sitzkreis der Selbsthilfegruppe für Personen mit (Angst vor) Hodenverlust. Das ist das Setting für "Liliom.Club", das neue Mash-up des bernhard ensembles. Vermanscht werden Ferenc Molnárs in der Wiener Fassung berühmt gewordenes Rührstück "Liliom" und David Finchers Film "Fight Club". Hier die einzige Warnung: Um den testosteronschwangeren Spaß zu genießen, sollte man mindestens eine vage Ahnung von einem oder beiden der Kultstoffe haben.
Ihre Überschneidung liegt in der Hauptfigur und deren Neigung zum Zufügen blauer Flecken. Gerald Walsberger vereint also den raubeinigen Pratermitarbeiter Liliom und Edward Nortons Filmrolle in seiner Person. Der Neuzugang im Ensemble ist die perfekte Besetzung: ein stilles Wasser, aber geschwätzig und aggressiv, wenn's drauf ankommt. Auch die schon bekannten "bernhardiner" - Isabella Jeschke, Kajetan Dick, Michael Welz, die Tänzerin Leonie Wahl und Regisseur Ernst Kurt Weigel -laufen zur Hochform auf. Überhaupt ist Weigel hier sein elegantestes Trash-Mashup seit langem gelungen. Die gleichwertige Zusammenführung von Film und Stück funktioniert smooth, semiimprovisierte Szenen im Hoden-/Prügelclub sind so saukomisch wie unangenehm und Tänze wie Schlägereien erstaunlich präzise choreografiert. Ohne bis zur Unerträglichkeit zu übertreiben, tobt sich das Ensemble ebenso aus wie Ausstatterin Devi Saha und bringt so den eigenen grotesken Stil zur Blüte. Am Ende wundert sich niemand mehr, dass am Tor zum Himmel ein Wiener Mistkübler wacht.
Das Off-Theater, White Box, Fr, Sa, Di, Do 19.30