"Überleben ist ein schwieriges Geschenk"
Nathalie Borgers' Doku "The Remains" erzählt eine Geschichte über Flucht, Tod und beherztes Handeln
Theater Kritiken
Ich will keinen Realismus, ich will Magie", sagt Blanche. Mehr Magie als Realismus liefert auch Pinar Karabuluts Inszenierung von Tennessee Williams' Drama "Endstation Sehnsucht". Toxische Männlichkeit weicht Highheels und Make-up. Das Stück, das vor allem durch die 50er-Jahre-Verfilmung mit Marlon Brando bekannt wurde, wird hier durch den Genderfleischwolf gedreht. Während Brando als Stanley Kowalski im weißen Ruderleiberl machoid durch die Welt ging, darf Jan Thümer in derselben Rolle mit Föhnfrisur und Lidstrich zu Popmusik auf hohen Schuhen über die pastellfarbene Bühne staken.
Die noble Blanche, mit Steffi Krautz großartig besetzt, hat alles verloren: das Anwesen Belle Reve, ihren Job, ihr Geld. Nun steht sie im weißen Hosenanzug unter einem Sonnenschirm mit Moskitonetz und sucht Unterschlupf bei ihrer Schwester Stella und deren Mann Stanley in New Orleans. Stella (Katharina Klar) macht im neonrosa Top und in türkiser Marilyn-Monroe-Frisur (Kostüm: Johanna Stenzel) tänzerische Bodybuilding-Posen, als ihre Schwester auftaucht, und ist voll enthemmter Freude, wenn ihr Stanley die Nase in den Schritt steckt. Schon bald krachen Welten aufeinander. Blanche verabscheut das animalische Verhalten Stanleys und seiner Freunde, das hier buchstäblich ausgespielt wird: Die Männer pirschen sich wie Raubkatzen an und kreischen wie Affen.
Zum Schluss setzt eine Sturzflut die Bühne unter Wasser. Blanche, wieder mal enttäuscht von der Liebe, erscheint als Schmerzensmutter, mit Heiligenschein und rotem Herzen vor der Brust. Sie wird von Stanley nicht vergewaltigt, sondern er sticht ihr mit dem Eispickel ins Auge. Eine Anspielung auf Williams' Biografie, an dessen Schwester ein solcher Hirnschnitt durchgeführt wurde. Es ist das tragische Ende eines doch recht spaßigen Abends. Und erstaunlicherweise geht sich das alles irgendwie aus.
Volkstheater, nächste Vorstellungen ab 15.4.