Vom Bürgerschreck zum Antimodernen
Das Leopold Museum zeigt kenntnisreich den schwer zu fassenden Maler Oskar Kokoschka
Buch der Stunde
Michael Hampe macht sich Sorgen, denn vieles aus dem derzeitigen politischen Diskurs kommt ihm bekannt vor: "Wut auf ein vielfältiges, freiheitliches Leben, die um sich greifende Intellektuellen-und Medienschelte, die Verachtung für eigentlich funktionierende staatliche Institutionen -das hat es alles schon einmal gegeben", und zwar in den 1930er-Jahren, die bekanntlich in einem Desaster endeten.
Der Philosoph, der mit Büchern zwischen Theorie und Belletristik ein breiteres Publikum erreichte und zuletzt mit der bloß akademischen Philosophie abrechnete ("Die Lehren der Philosophie", 2014), legt einen Appell für eine "Dritte Aufklärung" vor.
Bei der derzeitigen Krise handelt es sich seiner Meinung nach nicht um eine der Demokratie, sondern der aufgeklärten Kultur. Diese zieht Argumente der Gewalt vor, duldet Kritik, fördert Mündigkeit und Toleranz und sucht Wahrhaftigkeit in der Öffentlichkeit, denn "ein aufgeklärtes Leben ohne Solidarität, ohne eine Basis geteilter Wahrheiten ist unmöglich".
Dass Aufklärung nicht an Demokratie gebunden ist, zeigen ihre ersten beiden Bewegungen: in der Sklavenhaltergesellschaft des antiken Athen und in der absolutistischen Monarchie des Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation des 16. bis 18. Jahrhunderts.
Wie alle menschlichen Projekte war auch die letzte Aufklärung ambivalent: obwohl mit großen Illusionen verbunden, hat sie nie dagewesene Errungenschaften gezeitigt. Aber diese müssten, so Hampe, in jeder Generation neu erarbeitet werden. Dazu gelte es, sich von allen Formen mystischen Geschichtsdenkens zu verabschieden, von Verschwörungstheorien sowie von der "Pseudoreligion universaler Konkurrenz".
In seinem kompakten, glasklar argumentierten Büchlein skizziert Hampe auch konkrete Ziele: Bildung, Autonomie der Lebensgestaltung, Transparenz von Wissensansprüchen und die Vermeidung von Grausamkeiten - friedfertig und illusionslos, aber auch wehrhaft. Denn das aufgeklärte Leben ist immer bedroht.