BÖSE
Leonardo Bonucci
Theater Kritik
Eine Frau ist schwanger und will das Kind nicht haben. Eine andere will ihr das Neugeborene abkaufen, sie wünscht sich schon so lange ein Baby, nachdem das eigene ganz plötzlich gestorben ist. Was nach Win-win- Situation klingt, ist natürlich keine: "Ein Kind, was einen Preis hat, ist ja eine Ware, und eine Ware ist kein Mensch", heißt es schon zu Beginn.
Der Regisseur Bernd Liepold-Mosser hat Gerhard Hauptmanns Sozialdrama "Die Ratten", das kürzlich auch im Burgtheater fulminant Premiere feierte, ins Heute versetzt und die Handlung sowie das Figurenpersonal gehörig zusammengestutzt. Die schwangere Pauline (Lisa Schrammel) ist kein Dienstmädchen mehr, sondern eine 24-Stunden-Pflegekraft, die ihren Eltern Geld schickt. In ihrer Verzweiflung überlegt sie, sich in die Donau zu stürzen, um erst im Donaudelta wieder vom Wasser ausgespuckt zu werden.
Liepold-Mosser zeichnet eine Welt ohne Alternative und setzt somit ein Statement zur aktuellen Schwangerschaftsabruchsdebatte. In seiner Inszenierung ist nichts mehr naturalistisch, Künstlichkeit heißt das Gebot der Stunde, auch sprachlich: Die Wohnung ist "das kreditfinanzierte Eigentumsrefugium", das Kind, das Pauline Frau John (Michaela Kaspar)"selbst in Betrieb gegeben" hat, "die Erfüllung meines Kleinfamilien-Mittelstandstraums" und der schwierige Bruder "die Sollbruchstelle meines Lebens".
Selbst das Bühnenbild (Ausstattung: Karla Fehlenberg) erinnert an ein künstliches Versuchslabor. In einem grauen, leeren Kasten, mit löchrigen Wänden -Achtung! Die Nachbarn hören mit! - spielt sich das fünfköpfige Ensemble im Laufe des 90-minütigen Abends zu Technomusik (Boris Fiala) ins Unglück. Wirklich bewegend wird das erst zum Schluss, wenn für Verstellung kein Platz mehr bleibt und sich der Text dem Original annähert.
Tag, Fr 20.00