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Prozessauftakt für Zirngast in der Türkei
Bei einem Schuldspruch wartet eine jahrelange Gefängnisstrafe auf ihn, doch Max Zirngast sieht sich nicht als etwas Besonderes. In der Türkei sei die Inhaftierung Oppositioneller an der Tagesordnung, sagt der Österreicher, der im September 2018 in der Türkei wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung inhaftiert und erst am Weihnachtstag vorläufig auf freien Fuß gesetzt wurde. Insgesamt ließ der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan seit dem Putschversuch 2016 rund 218.000 Menschen wegen angeblicher Verbindungen zu den Putschisten oder Terrorismus festnehmen. Am Donnerstag soll nun der Prozess von Max Zirngast beginnen.
Der heute 30-Jährige Zirngast zog 2015 nach Ankara, um an der dortigen Universität Politikwissenschaften zu studieren. Parallel dazu veröffentlichte er Texte in linken Magazinen und Sammelbänden. Er bezeichnet sich selbst als Marxisten. Die Türkei legt ihm zur Last, Kader für den bewaffneten Kampf rekrutiert zu haben. Die entsprechende Organisation hat sich aber schon in den 1990er-Jahren aufgelöst. Die österreichische Außenministerin Karin Kneissl meinte zu dem Fall im November, dass ein "fairer Prozess" gefordert wird. Doch so etwas wie einen fairen Prozess gebe es in der Türkei nicht mehr, sagte Zirngasts Anwalt Murat Yılmaz im Jänner dem Magazin Datum. Er bezeichnet die 123 Seiten umfassende Anklageschrift als "konstruiert". Man dürfe nicht davon ausgehen, dass sich "jemand ernsthaft damit beschäftigt, ob in sich logisch geschlossen ist, was hier behauptet wird", meint auch Zirngast. Er rechnet zwar mit einem mehrjährigen Verfahren, letzten Endes aber mit einem Freispruch -wenn auch erst in letzter Instanz. Eventuell auch in Straßburg: "Das kann eben auch der Europäische Menschenrechtsgerichtshof sein", sagt Zirngast.