Überlebenskampf im Kinderzimmer
Zocken bis zum Sitzenbleiben. Wie kaum ein Videospiel zuvor zieht Fortnite junge Menschen in seinen Bann. Warum?

Foto: Epic Games
Amar schreit vor Wut, er schlägt mit voller Wucht auf seine Playstation ein. Jener Amar, den alle in der Klasse für seine ruhige Art schätzen, der wirkt, als könne er keiner Fliege etwas zuleide tun. „Ich habe ‚Fortnite‘ gespielt und verloren. Da kam dieses Geräusch, wenn man getötet wird. Das hat mich so aggressiv gemacht, also habe ich auf meine Playstation eingeschlagen, bis es weg war.“ Und die Playstation kaputt. In ruhigem Ton erzählt das der 14-jährige Bub, der in Wirklichkeit anders heißt.
Ein Jahr danach blickt er gelassen auf die Zeit zurück. Amar wiederholt die dritte Klasse einer Wiener AHS. Heuer hat er gute Noten, kein Grund zur Sorge. Wenn er aber an das Schuljahr davor denkt, muss er selbst den Kopf schütteln: „Ich bin wegen ‚Fortnite‘ sitzengeblieben, ich habe den ganzen Tag nur gespielt, zehn Stunden lang.“ In der Schule war Amar teilnahmslos, müde, unmotiviert. Sobald er nach Hause kam, setzte er sich vor die Playstation, um „Fortnite“ zu spielen. „Fortnite“ ist ein sogenanntes Survival-Game, ein Computerspiel aus den USA, das seit 2017 Kinder und Jugendliche weltweit begeistert.
Es liest sich fast wie eine Drogenlaufbahn: Amar vernachlässigte in seiner „Fortnite“-Zeit nicht nur seine schulischen Pflichten, auch seine sozialen Kontakte und Hobbys litten. Die Eltern bekamen wenig davon mit, sie arbeiten viel und sind froh, wenn sich ihr Sohn am Abend still in seinem Zimmer beschäftigt. Mit Freunden kommunizierte Amar nur noch während des gemeinsamen Spielens übers Headset, mit dem Sport hörte er ganz auf. Anstatt die Zeit mit seinen Cousins zu verbringen, marschierte er im Serbienurlaub in der prallen Sonne drei Kilometer zu Fuß zum nächsten Internetcafé, um „Fortnite“ zu spielen. „Ich konnte nicht ohne.“ Zurück in Österreich spielte er weiter, bis zu dem Tag, an dem er seine Playstation zerstörte. „So bin ich meine ‚Fortnite‘-Sucht losgeworden“, sagt Amar heute und klingt dabei erleichtert. „Anders hätte ich niemals aufhören können.“