Zehn Mythen der Klimapolitik
Politologe Reinhard Steurer von der Boku Wien beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit Österreichs Klimapolitik und zeigt, wie Halbwahrheiten in den Klimanotstand führen

Illustration: PM Hoffmann
In der Debatte über Klimapolitik kursieren nach wie vor viele falsche Annahmen und Schlüsse. Dabei kann ein und derselbe Unsinn auf drei Arten zustande kommen: Erstens durch Wissenslücken oder Missverständnisse. Zweitens durch gezielt verdrehte Halbwahrheiten. Drittens durch ideologisch motivierte unreflektierte Glaubenssätze.
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Während sich hinter den absichtlich verdrehten Halbwahrheiten meist persönliche, wirtschaftliche oder politische Interessen verstecken, existieren ideologisch bedingte Glaubenssätze auch losgelöst von Vernunft oder Interessen. Weil nur Wissenslücken und Missverständnisse relativ leicht zu beseitigen sind, halten sich die meisten Unsinnigkeiten seit Jahrzehnten hartnäckig. Sie sind zu Mythen geworden. Einige davon tauchen früher oder später in jeder Diskussion über den Klimawandel auf – so auch in diesem Wahlkampf.
Dieser Text entlarvt die am meisten verbreiteten und politisch wichtigsten Mythen. Er soll dabei helfen, dass sie möglichst viele Wähler als solche erkennen und entsprechende Politiker im besten Fall als Schönfärber, im schlimmsten Fall als Täuscher enttarnen.
1. Mythos: Das Klima hat sich immer schon verändert, darin stecken auch Chancen und es besteht kein Grund zur Sorge.
Ja, das Klima hat sich immer schon verändert, aber noch nie so dramatisch in so kurzer Zeit – von Ausnahmen wie Meteoriten-Einschlägen einmal abgesehen. Ja, es gab auch schon Warmzeiten, in denen in der Antarktis oder auf der Pasterze Bäume wuchsen. Zu jenen Zeiten war die CO₂-Konzentration in der Atmosphäre übrigens ungefähr auf dem Stand von heute, es dauert nur einige Zeit, bis das Erdklima auf diesen Zustand vollständig reagiert. Man kann sich das vorstellen wie ein Backrohr, das nicht sofort auf 180 Grad aufheizt, nur weil am Knopf gedreht wird.
Warum sollen Bäume in der Antarktis Grund zur Sorge sein? Weil das in anderen Gegenden auch massive negative Folgen mit sich bringen wird, zum Beispiel durch einen Anstieg des Meeresspiegels, die Ausdehnung von Wüsten und die Verschiebung von Niederschlägen. Diese und weitere Folgen bedeuten, dass große Teile der jetzt bewohnbaren Erde entweder unter Wasser stehen – davon wären Großstädte am Meer betroffen – oder unfruchtbar werden.
Grönland und Island könnten im Gegenzug vielleicht fruchtbarer werden, aber das wird das Problem nicht lösen, denn solche Verschiebungen gehen nicht ohne große Migrationsströme und Kriege vonstatten. Sogar das US-Verteidigungsministerium weiß längst, dass New York nicht ohne Probleme nach Reykjavik verfrachtet werden kann, und der Klimaleugner Trump musste vor kurzem gekränkt erfahren, dass die Kornkammer der USA in Zukunft nicht in Grönland verortet sein wird.
Fazit: Das Klima verändert sich dramatisch, und weil das massive Auswirkungen auf die menschliche Zivilisation haben wird, sehen viele Wissenschafter darin zurecht das größte Problem der Menschheitsgeschichte.
2. Mythos: Es gab immer schon natürliche Ursachen des Klimawandels, so auch aktuell.
Das Klima erwärmt sich wegen der dramatisch angestiegenen Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre, vor allem durch CO₂. Dieser Anstieg ist auf das Verbrennen von fossiler Energie wie Kohle, Öl und Gas zurückzuführen. Seit 1990 wurden so mehr Treibhausgase freigesetzt als in der gesamten Menschheitsgeschichte davor. Dass sich die Konzentration von Treibhausgasen im Laufe der Erdgeschichte auch natürlich verändert hat, ist richtig. Dies geschah aber vergleichsweise langsam, nämlich im Laufe von Jahrtausenden statt Jahrzehnten.
Sonnenaktivität als Treiber des Klimawandels kann aus mehreren Gründen ausgeschlossen werden. Einer davon: Wäre die Sonne Schuld an der Erwärmung, müsste sich die mittlere Schicht der Erdatmosphäre – die Stratosphäre – stärker erwärmen als die untere Schicht – die Troposphäre, denn sie ist der Sonne näher. Die von der Sonne kommende Wärme wird jedoch von der erdnahen Troposphäre immer weniger abgestrahlt und die Stratosphäre kühlt ab. Die Tatsache, dass der Klimawandel vom Menschen gemacht ist, hat auch eine gute Seite: Wir können etwas dagegen tun und sind der Veränderung nicht ausgeliefert.
Fazit: Natürliche Treiber des Klimawandels hat es immer gegeben. Sich darauf zu berufen, leugnet jedoch die wissenschaftlich eindeutige Faktenlage, dass der aktuelle Klimawandel zu 100 Prozent vom Menschen verursacht wird.
3. Mythos: Zu den Grundlagen des Klimawandels gibt es auch unter Wissenschaftern Zweifel, die sachlich begründet und ernst zu nehmen sind.
Es gibt Wissenschafter, die den Klimawandel bezweifeln, allerdings verschwindend wenige im Vergleich zu jenen, die das nicht tun. Das ist nicht verwunderlich, denn auch wenn der wissenschaftliche Konsens zu einem Thema noch so überwältigend ist, abweichende Meinungen gibt es immer. Die Frage ist, handelt es sich um sachlich begründete und ernst zu nehmende Zweifel?
An dieser Stelle verwandelt sich das Körnchen Wahrheit in einen hartnäckigen Mythos. Zweifel am Klimawandel bekommen nicht aus sachlichen, sondern aus wirtschaftlichen Gründen überproportional viel Aufmerksamkeit, besonders in den USA. „Merchants of Doubt“, eine Analyse die als Buch und Dokumentation vorliegt, zeigt minutiös auf, wie die Fossilindustrie willfährige „Wissenschafter“ und Think Tanks finanziert, damit diese mit Fehlinterpretationen gezielt Zweifel am Klimawandel streuen. Das stiftet Verwirrung und erschwert weitreichende politische Entscheidungen. Sie folgen damit dem Beispiel der Tabakindustrie, die der Menschheit über Jahrzehnte erfolgreich eingeredet hat, Rauchen sei gar nicht so schädlich wie die meisten Mediziner schon lange behauptet haben. Ein Detail am Rande: Zum Teil sind es damals wie heute dieselben Personen, die sich kaufen lassen.
Fazit: Das Grundwissen zum Klimawandel gilt aufgrund eines überwältigenden wissenschaftlichen Konsenses als gesichert. Wir sollten uns von gekaufter Forschung nicht einreden lassen, beim Klimawandel handle es sich nur um eine Meinung.
4. Mythos: Da Österreichs Anteil an den weltweiten Treibhausgas-Emissionen nur rund 0,2 Prozent beträgt, ist es für das Weltklima egal, ob unsere Emissionen steigen oder sinken.
Die Zahl stimmt einigermaßen (2017 waren es 0,17 Prozent), die Schlussfolgerung ist trotzdem grundfalsch, und zwar aus einem rein rechnerischen und einem politischen Grund. Sie ist rechnerisch falsch, weil auch Kleinvieh Mist macht. Ein Blick in die Treibhausgasstatistik des Jahres 2017 zeigt, dass nur acht Länder mehr als zwei Prozent, umgekehrt aber 168 von 186 Staaten jeweils weniger als ein Prozent der weltweiten Emissionen verursacht haben. Summiert man die Anteile dieser 168 Staaten, dann machen diese in Summe 25,25 Prozent aus. Im Vergleich dazu: China verantwortet 27,5, die USA 14,75 und die EU 9,33 Prozent.
Würde sich „das Kleinvieh“ aus der Verantwortung stehlen, hätten auch die USA und China sehr gute Gründe, das Paris-Abkommen platzen zu lassen. Das führt zum politischen Grund, der dieses Argument vollends zum Mythos werden lässt. Klimaschutz ist eine globale Herausforderung, die nur solidarisch gelingen kann. Sobald sich jemand aus der Verantwortung stiehlt, wackelt der gesamte Konsens und andere Staaten werden ebenfalls überlegen auszuscheren. Leider macht die USA im Moment genau das.
Solange China und Europa diesem Beispiel nicht folgen, gibt es dafür eine simple Lösung: Sie können Klimaschutz-Zölle auf Importe aus den USA einheben, die dem CO₂-Preis im Inland entsprechen.
Fazit: Alle Länder müssen Treibhausgasemissionen reduzieren, egal wie hoch deren Anteil ist. Für einzelne Verweigerer gibt es Lösungen, nicht jedoch, wenn viele Staaten glauben, sie können Trittbrettfahrer sein.
5. Mythos: Österreich ist in einigen Bereichen des Klimaschutzes (wie zum Beispiel in der Wasserkraft) spitze und steht auch bei den Emissionen gut da.
Der erste Teil der Aussage ist altbekannt, die Aussage zu den Emissionen ist in dieser Form neu. Es handelt sich um geschickte Wahlkampfrhetorik von ÖVP-Chef Sebastian Kurz, ergänzt durch die Kritik, er habe ein Problem damit, wenn Österreich ungerechtfertigt schlechtgeredet werde. Geschickt ist die Argumentation, weil sie Daten selektiv interpretiert und „Nestbeschmutzen“ bzw. „Schlechtreden“ bei den Österreichern nie gut ankommt.
Kurz hatte bei seiner Aussage die Treibhausgasemissionen pro Kopf im Sinn, die in Österreich tatsächlich nur knapp über dem Schnitt der EU-28 liegen.
Nur: Diese Zahl sagt nichts über die Klimapolitik in Österreich aus. Der dafür mitverantwortliche hohe Wasserkraftanteil in der Stromproduktion ist topografisch bedingt und hat mit der Klimapolitik der letzten Jahrzehnte nur insofern zu tun, als sich sämtliche Bundesregierungen auf diesem historischen Verdienst ausgeruht haben.
Um die Klimapolitik seit 1990 seriös zu beurteilen, gibt es zwei relevante Kennzahlen: die absolute Entwicklung der Treibhausgasemissionen und die Entwicklung im Vergleich zum Kyoto-Klimaschutzziel für 2012, das von der österreichischen Bundesregierung in Brüssel ausgehandelt wurde.
Österreich konnte seit 1990 weder die Emissionen absolut senken, geschweige denn das Ziel für 2012 einhalten. Beim Kyoto-Ziel für 2012 war die Verfehlung nur in Luxemburg dramatischer. Statt die Emissionen in Österreich um 13 Prozent zu senken, wurden sie um drei Prozent gesteigert.
Fazit: Österreichs Bilanz in der Klimapolitik ist desaströs, darüber kann die im Wahlkampf produzierte heiße Luft nicht hinwegtäuschen.
6. Mythos: Jeder Einzelne kann etwas gegen die Klimakrise tun, wir brauchen nicht auf die Politik zu warten und schaffen das auch individuell.
Richtig ist: Was jeder Einzelne tut, ist relevant und wir können Emissionen täglich vermeiden. Weit weg vom Wahltag könnte man sogar meinen, wir haben als Konsument mehr Einfluss auf das Weltklima denn als politische Bürger. Aber: Es wäre naiv zu glauben, dass das globale Klimaproblem so gelöst werden kann. Greta Thunberg hat die immense Bedeutung des politischen Protests von Anfang an verstanden und mit „Fridays for Future“ in kurzer Zeit mehr erreicht als viele andere Personen oder Bewegungen vor ihr. Längst ist klar, es braucht nicht nur nationale oder europäische, sondern auch internationale Verpflichtungen. Ohne eine weltweite Kehrtwende wird es unmöglich sein, das Paris-Ziel einzuhalten. Dieses Ziel, zu dem sich Österreich verpflichtet hat, besagt: Die Erde soll sich im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter nur um 1,5 Grad erhitzen, maximal jedoch um zwei Grad.
Die Devise lautet also weder „Moral statt Politik“ noch „Politik statt Moral“, sondern „Politik mit Moral, Mut und Verstand“. Diese Politik kommt beim Klimaschutz nicht von selbst. Derartiges „Leadership“ gibt es meist nur bei Geld- bzw. Wirtschaftsthemen wie der Einführung des Euro. Sie muss gewählt bzw. durch ziviles Engagement erzwungen werden. Da spielt jeder Einzelne eine mindestens so große Rolle wie beim Konsumverhalten.
Fazit: Der Klimawandel ist ein globalpolitisches Problem, das wir weder individuell noch nationalstaatlich lösen können. Es braucht ein solidarisches Zusammenwirken aller politischer Ebenen, angetrieben durch demokratische Dynamiken von unten.
7. Mythos: Klimaschutz ist auch mit Freiwilligkeit und Anreizen möglich, deshalb können wir auf verpflichtende Maßnahmen oder einen CO₂-Preis verzichten.
Diese Aussage stimmt, wenn man sich mit ein bisschen Klimaschutz zur Gewissensberuhigung zufrieden gibt. Sobald man sich an dem Paris-Ziel oder an den darauf aufbauenden EU-Zielen für 2030 und 2050 orientiert, wird sie zum Mythos.
Dieser Mythos wurde von der türkis-blauen Bundesregierung offiziell vertreten und im Wahlkampf hat sich die SPÖ zu dieser „Mythen-Koalition“ dazugesellt. Dabei sind sich Sozialwissenschaftler weitgehend darin einig, dass eine drastische Reduktion von CO₂-Emissionen nur möglich ist, wenn diese einen angemessenen Preis bekommen. Ergänzende Anreize (etwa Förderungen für erneuerbare Stromerzeugung oder Elektroautos) sind zwar ebenfalls nötig, können die fossile Energie jedoch kaum zurückdrängen, weil diese nach wie vor im Überfluss vorhanden und billig ist. Letzteres liegt auch daran, dass deren Preis nicht die wahren Kosten widerspiegelt und Kostenwahrheit nur durch einen CO₂-Preis möglich ist.
Diese Wahrheit muss auch den in diesem Wahlkampf vielzitierten Pkw-Pendlern zugemutet werden. Wir können entweder diese vor einem Umstieg auf umweltfreundliche Mobilität oder die Menschheit vor einem dramatischen Klimawandel schützen – denn das bedeutet Klimaschutz eigentlich, das Klima selbst braucht ja keinen Schutz. Beides gemeinsam ist jedenfalls nicht möglich.
Fazit: An einem CO₂-Preis und anderen verpflichtenden Maßnahmen führt kein Weg vorbei. Wer anderes behauptet, täuscht nicht nur die Wähler, sondern beraubt sie auch einer lebenswerten Zukunft.
8. Mythos: Eine CO₂-Steuer bringt neue Belastungen mit sich, besonders für jene, die jetzt schon niedere Einkommen haben.
Wenn man CO₂ einen Preis gibt, dann soll das jene finanziell belasten, die viel davon emittieren. Darin liegt ein starker ökonomischer Anreiz, Emissionen zu vermeiden. Wird das isoliert oder gar in Verbindung mit einer Senkung der Vermögenssteuer gemacht, ist die soziale Ausgewogenheit nicht mehr gegeben. Was dann passieren kann, sah man in Frankreich 2018, als monatelange „Gelbwesten-Proteste“ eine geplante Steuererhöhung auf fossile Kraftstoffe verhindert haben.
So etwas schlägt aber keine Partei im derzeitigen Wahlkampf vor. Soziale Ausgewogenheit ist zum Beispiel leicht dadurch möglich, indem die gesamten Einnahmen am Ende des Jahres als Pro-Kopf-Prämie wieder ausbezahlt werden. Geht da nicht die Lenkungswirkung verloren? Nein, denn je weniger Emissionen jemand verursacht, umso positiver fällt die Ausgaben-Einnahmen-Rechnung aus. Verschiedene Berechnungen zeigen, dass besonders Haushalte mit geringen Einkommen davon profitieren würden, weil diese im Schnitt weniger CO₂ verursachen. Sie haben in der Regel eine kleinere Wohnfläche, ein kleineres oder gar kein Auto. Sie verbrauchen also weniger CO₂ fürs Heizen und die Mobilität.
Fazit: Eine CO₂-Bepreisung ist sozial verträglich, sie ermöglicht – wenn es politisch gewünscht ist – sogar eine Umverteilung von hohen zu niederen Einkommen, ohne die Lenkungswirkung zu verlieren.
9. Mythos: Den Klimawandel mit freiwilligen Maßnahmen zu bekämpfen und die Bürger vor einem CO₂-Preis zu bewahren, ist billiger und ökonomisch vernünftiger.
Diese Behauptung ist auf einzelne Pendler zugeschnitten, und für diese stimmt sie auch – zumindest auf kurze Sicht. Auf lange Sicht kann sie selbst für diesen „Spezialfall“ zum Mythos werden, denn ohne CO₂-Preis werden wir in naher Zukunft massive Belastungen durch die Folgen des Klimawandels erfahren, zum Beispiel weil Wohnungen mit Klimaanlagen nachgerüstet werden oder weil Lebensmittel wegen Ernteausfällen teurer werden. Politiker und Wähler agieren kurzsichtig, deshalb funktioniert dieser Mythos im Wahlkampf trotzdem.
Ökonomisch vernünftig wäre selbst kurzfristig das Gegenteil. Schon vor Jahren hat der britische Ökonom Nicholas Stern errechnet, dass Klimaschutz – auch mittels CO₂-Preis – weniger kostet als die späteren Folgen des Klimawandels ausmachen werden. Wenn wir die Folgen des Klimawandels richtig zu spüren bekommen, wird es vermutlich selbst für einen CO₂-Preis zu spät sein, weil viele Folgen unumkehrbar sein werden.
Fazit: Natürlich verteilen sich Kosten und Nutzen für jeden anders, aber volkswirtschaftlich ist klar: Jetzt auf einen CO₂-Preis zu verzichten, wird uns noch sehr teuer kommen.
10. Mythos: Klimaschutz ist eine Art Ersatz-Religion geworden, mit der uns Gläubige das Leben unnötig schwermachen – und damit noch Geld verdienen wollen.
Klimaschutz-Aktivisten mögen manchmal missionarisch auftreten, besonders, wenn sie die individuelle vor die politische Verantwortung stellen. Das gibt diesem Mythos wohl Nahrung. Dessen ungeachtet haben sie den Konsens der Wissenschaft auf ihrer Seite. Dieser basiert in seinen Grundzügen nicht auf Glaubensätzen oder Meinungen, sondern auf faktenbasierter Analyse. Wie schon angeführt, sagen diese Analysen auch, dass die Kosten des Nicht-Handelns höher sind als die Kosten des Handelns.
Wer die naturwissenschaftlichen Grundlagen des Klimawandels bezweifelt, sollte sich ernsthaft fragen, ob die Erde nicht doch eine Scheibe ist. Warum sind wir dafür eigentlich nicht mehr empfänglich, für die Leugnung des Klimawandels hingegen schon? Zum Ersten liegen ein paar Jahrhunderte zwischen diesen Erkenntnissen. Gut Ding braucht Weile. Zum Zweiten ist der Klimawandel unbequem, seine Leugnung oft willkommen. Zum Dritten geht es, wie bereits angesprochen, um viel Geld, das weg von der Fossilindustrie hin zu umweltfreundlicheren Bereichen der Wirtschaft fließen sollte.
Fazit: Nicht Klimaschutz-Aktivisten, sondern die Leugner des Klimawandels sind Gläubige, die gegenüber weithin anerkannten Fakten immun sind.
Die weite Verbreitung von Mythen führt dazu, dass Menschen den Klimawandel nicht als jene Bedrohung sehen, die er aus Sicht der Wissenschaft tatsächlich ist. Die Klimapolitik konnte dadurch bislang harmlos bleiben und wir konnten unsere klimaschädlichen Lebensgewohnheiten unbehelligt weiterführen.
Metaphorisch gesprochen verhalten wir uns so, wie wenn wir eine medizinische Diagnose einer Krankheit ignorieren, die empfohlene Therapie verweigern und uns stattdessen mit Homöopathie beruhigen. Bei einer Erkältung mag das genügen. Die Klimakrise ist jedoch nicht mit einem Schnupfen, sondern eher mit steigendem Fieber aufgrund einer schweren Entzündung vergleichbar: Beides geht ohne Therapie nicht vorbei, und im Moment stehen wir erst am Anfang der Fieberkurve.
Dass wir die wissenschaftlichen Warnungen zur Klimakrise weniger ernst nehmen als die Diagnosen der Schulmedizin, liegt auch daran, dass die meisten Mythen einen wahren Kern haben und somit erst durch falsche Schlüsse zu manipulativen Halbwahrheiten werden. Während der wahre Kern auf den ersten Blick überzeugt, erkennen viele die falschen Schlüsse erst auf den zweiten Blick – oder eben gar nicht.
Klimaschutz war im zu Ende gehenden Wahlkampf ein zentrales Thema, jedoch waren dadurch einige Mythen so präsent wie selten zuvor. Für die nächsten Jahre bleibt zu hoffen, dass es zunehmend schwierig wird, Wählerstimmen mit Mythen zu maximieren. Über Fakten kann man sich einige Zeit hinwegschwindeln. Auf Dauer wird das schwierig, besonders wenn wir uns auf der Fieberkurve weit nach oben bewegen werden.F