Bar Campari
1010 Wien, Seitzergasse 6
derzeit geschlossen
Foto: Katharina Gossow
Es ergab sich 2016, dass Peter Friese das alte Zuckerlgeschäft neben seinem Zum Schwarzen Kameel erwerben konnte. Was es ihm ermöglichte, das Kameel und die Kameel-Feinkosthandlung zu einem Großen Kameel zu machen. Und während da im Hintergrund also renoviert und zusammengelegt wurde, nutzte man im Sommer 2016 das ehemalige Zuckerlgeschäft für ein Pop-up, und zwar für eine Campari-Bar, weil das Apero-Thema ja gerade ziemlich im Anrollen war.
Jetzt ergab es sich außerdem, dass vor zwei Jahren schräg gegenüber vom Kameel im Goldenen Quartier das Aï aufmachte, ein doppelstöckiges Millionenprojekt einer libanesischen Restaurantgruppe, das nach nicht einmal einem Jahr aber wieder schloss. Friese bekundete Interesse, plante, das Lokal mit geringem Aufwand von seiner Bling-Bling-Atmosphäre zu befreien und die Campari-Bar mit ein paar Cocktails und Snacks dort einfach möglichst rasch weiterzuführen. Er erhielt den Zuschlag, und dann kam doch alles ganz anders.
Weil sich der Peter Friese dachte, dass nur eine Adaptierung der Sache doch nicht gerecht werde. Und weil er eigentlich eh immer schon etwas mit dem Mailänder Stararchitekten Matteo Thun machen wollte. Weshalb die neue Bar Campari dann nicht nur sehr viel länger dauerte, sondern auch sehr viel mehr kostete.
Aber sie kann sich sehen lassen: perspektivischer Parkettboden, dunkler Marmor, Neonröhren, Regale, Sessel, die schwarz-weiß und im Stil des Campari-Designs von Fortunato Depero aus den 1930er-Jahren gemustert sind, riesige Markise – typisch italienischer Espresso-Modernismus, so zeitlos, dass man der Bar Campari kaum anzumerken vermag, dass sie gerade erst aufgemacht hat.
Und es sind die vielen Details, die einen erfreuen: etwa dass nicht nur die Tumbler, in denen der Negroni an den Tisch kommt, gebrandet sind, sondern auch die Eiswürfel; oder die fein abgesteppten Nähte der taillierten weißen Jacken des Personals, molto elegante; oder die Vitrine mit unwiderstehlichen Tramezzini, Panini und gefüllten Panini, mitten im Lokal, oder dass der Kaffee von der italienischen Rösterei Goppion aus Treviso und das Bier von Moretti stammt. Dass Friese hier ein „demokratisches Lokal“ machen wolle, wie er sagt, klingt mitten im Goldenen Quartier natürlich ein wenig kokett, tatsächlich ist die Schwelle der Bar Campari aber niedrig: Ein Brötchen (alte Aufstrichrezepte vom Kameel, die es dort aber nicht mehr gibt) kommt auf 1,15 Euro, um zwei bis drei Euro gibt’s erfreuliche Happen zum Prosecco oder Bier, der Haus-Pinot-grigio ist tadellos und ein Negroni kostet die Hälfte wie in der Hotel-Bar ums Eck. Da kann man Campari fast schon wieder verzeihen, dass sie 1995 bei der Übernahme von Cynar das großartige Etikett verändert haben …
Resümee:
Es ist nicht leicht, eine echte italienische Bar zu machen. Aber mit dem richtigen Architekten, den richtigen Drinks und den richtigen Snacks geht’s.
Bar Campari
1., Seitzerg. 6, Tel. 01/532 35 53,
Mo–Sa 8–24 Uhr, www.barcampari.at