Begriff der Woche #10: "Danach"

Feuilleton, FALTER 23/2020 vom 03.06.2020

Googelt man die Bindestrichsynthese "post-corona", wird man als Erstes auf die Webpage der österreichischen Post verwiesen, wo "einige der häufigsten Fragen zu Covid-19" beantwortet werden. Nach weiteren Einträgen zu Post und Pandemie landet man bei www.zukunftsinstitut.de und einer Grafik, auf der sehr viele Pfeile aus grauen Kreisen in lindfarbene Blasen weisen.

Die Kreise stehen für die Szenarien "Totale Isolation","System-Crash", "Neo-Tribes" und "Adaption"; die pastelligen Pletschn versammeln ein Dutzend "robuste","treibende" und "ambivalente Megatrends", von denen fünf "für alle Szenarien von zentraler Bedeutung sind". So luzide wie Skizze und Erläuterung ist auch die Überschrift: "Unsere neue Zukunft -Mit den Megatrends in die Post-Corona-Zeit".

"Zukunft alt" war gestern. Sie ist gestorben, bevor wir ihr begegnen konnten. Wie sie ausgesehen hätte, kann man wohl einer älteren Version der Webpage des Zukunftsinstituts entnehmen. "[D]ie Eule der Minerva beginnt erst mit der einbrechenden Dämmerung ihren Flug", meinte der Philosoph G.W.F. Hegel, der wusste, wohin der Weltgeist reitet, und dennoch prognoseskeptisch blieb. Geht etwas zu Ende, beginnen wir zu erkennen, was es gewesen ist. "Normal alt" scheint vorbei zu sein, aber "normal neu" fühlt sich weder richtig neu noch richtig normal an. Sicherheitsabstände werden ignoriert, aber mit Maske. Man trifft sich wieder, verzichtet aber auf Umarmungen.

Wenn wir diese seltsam verschwommene "Twilight Zone" wieder verlassen wollen, dann reicht es nicht, sich irgendwelchen Megatrends zu überantworten. Die Konturen der Zukunft, die wir wollen, müssen wir selbst bestimmen, sonst kommt nur immer noch mehr "Post-".

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