Wir wollen aufsperren
Clubs, Bars und Discos sind wegen Corona geschlossen – wie soll es jetzt weitergehen?

Volksgarten, Ali Pasha Ilkhanipour, Clubmanager (Foto: Christopher Mavrič)
Tirol, Südkorea, Japan – hunderte Menschen haben sich mit dem Coronavirus in der feiernden Menge angesteckt. Dicht an dicht auf der Tanzfläche, beim Bierbestellen an der Bar oder knutschend vor dem Eingang.
Nachtclubs und Discos waren die Ersten, die zusperren mussten, und sind die Letzten, die wieder aufmachen werden. Bis jetzt wartet man vergeblich auf eine Ansage der Regierung. Was bedeutet das für die Clubbesitzer, Pächter, Inhaber? Und was für das Nachtleben?
Kritischer und unabhängiger Journalismus kostet Geld. Ausnahmsweise lesen Sie diesen Artikel kostenlos. Unterstützen Sie uns mit einem Abonnement oder testen Sie uns vier Wochen lang kostenfrei.
★
„Viele überlegen, ihre Pacht weiterzugeben oder ganz aufzuhören“, so Stefan Niederwieser von der Vienna Club Commission. Die Club Commission ist eigentlich ein Pilotprojekt der MA 7, das Clubs mit der Stadt Wien vernetzt und aus Stefan Niederwieser, Laurent Koepp und Martina Brunner besteht. In der Krise wurde die Commission plötzlich zum Ansprechpartner und öffentlichen Gesicht der oft verzweifelten Clubbetreiber.
Sie bietet gratis Unterstützung etwa beim Stellen von Anträgen zur Kurzarbeit. Diese wurde auch oft für Mitabeiterinnen und Mitarbeiter in der Nachtgastronomie, also Bars, Clubs und Discos, in Anspruch genommen. Denn hunderte Jobs – vom Kellner über den Türsteher bis zur Putzkraft – sind hier angesiedelt. Allein in Wien hängen insgesamt 24.000 Arbeitsplätze direkt und indirekt daran.
„Viele Clubbetreiber haben versucht, durch Kurzarbeit ihre Angestellten zu halten, doch nicht jeder kann die Gehälter vorfinanzieren. Selbst mit Zuschüssen ist es ohne Einnahmen fast unmöglich, die übriggebliebenen Kosten zu tragen“, so Martina Brunner. Die Club Commission fürchtet außerdem eine verzögerte Insolvenzwelle, denn auch wenn die Nachtclubs wieder öffnen dürfen, ist noch lange nicht gesagt, dass Feierfreudige sofort wieder in die Clubs zurückkehren – oder ob Verunsicherung ihnen die Lust aufs Partymachen vergällt.
Die Menschen verlernen gerade das Ausgehen, fürchtet einer der Betreiber. Deshalb appelliert die Commission an die Stadt, dringend in die Clubkultur zu investieren. Das Nachtleben biete geschützte Räume für einzigartige Communitys und habe einen hohen sozialen Wert, betont Brunner.
Denn die Leute wollen sich treffen und tun das auch, wie man am dichten Gedränge an den Ufern des Donaukanals sehen kann. Ob das nicht besser gleich in „kontrollierten Räumen“ passieren sollte, wie ein Clubbetreiber moniert? Durch eine verringerte Gästeanzahl, lückenloses Fiebermessen am Eingang und vielleicht sogar den Einsatz von Tracking-Apps könnten die Nachtgastronomen sowohl Besucherinnen und Besucher als auch Gesundheitsbehörden gleichermaßen beruhigen. Es gibt viele Ideen, auch für ein Übergangsprogramm während der Krisenzeit, denn die wird für die Nachtclubs und Discos wohl noch länger dauern.
„Die Szene ist naturgemäß erfinderisch und kreativ, aber Umstellungen benötigen Ressourcen und Lizenzen, die nicht alle bereitstellen können“, betont Magdalena Augustin von der IG Kultur Wien. Wer jetzt flexibel bleiben kann, hat natürlich einen enormen Vorteil. In der Praxis scheitern Clubs allerdings oft an ungeeigneten Räumlichkeiten oder an den Betriebsgenehmigungen, wenn diese – wie beispielsweise im Sass – nur für die Nachtstunden ausgestellt sind. Andere Locations wie der Volksgarten hingegen erfinden sich dank großzügiger Außenfläche mit einer Pop-up-Pizzeria gerade neu.
Solidarität vonseiten der Zivilgesellschaft erfahren die Clubs immerhin reichlich, die Liste der Crowdfunding-Kampagnen wurde seit Beginn der Krise immer länger. Damit spielten auch kleinere Locations wie das Venster99 schnell Summen ein, mit denen zwar nicht die Verluste, aber immerhin die laufenden Miet- und Betriebskosten gedeckt werden konnten.
Etablierte Locations wie das Fluc versuchen durch Lesungen und Doppelkonzerte mit wechselndem und sitzendem Publikum die Verluste auszugleichen. Das Programm ist divers und interessant kuratiert. Dass Clubs durchaus als Kulturstätten definiert werden können, weiß man aus Berlin. Es wäre hoch an der Zeit, auch das hiesige Nachtleben als Teil der Wiener Kultur zu verstehen, den es dringend zu erhalten gilt. F
Inc.
Joachim Natschläger, Betreiber & Geschäftsführer Wir haben erst im Dezember den Club aufgesperrt und dann gleich wieder zugesperrt. Seitdem steht alles. Unsere 250 Mitarbeiter haben wir abgemeldet, da ich schon befürchtet hatte, dass das lang dauern wird. Das wären zu hohe Kosten gewesen. Wenn wir wieder aufsperren, dann gerne mit Fiebermessen – aber mit Maske und Abstandhalten sicher nicht. Ich bin aber ein optimistischer Mensch, ich glaube an einen Clubbetrieb im Herbst.
Grelle Forelle
Gerald VDH, Hausveranstalter
Hätte die Politik nicht so zügig und konsequent entschieden, wir wären ihr mit der Entscheidung, Veranstaltungen abzusagen, zuvorgekommen. Inzwischen halten wir eine Sperre der Nachtkultur für überzogen. Zukünftig setzen wir auf Vorverkauf mit Kontakt-Tracing, reduzierte Gästezahl, Frischluft wie am Großglockner durch ein überdimensioniertes Lüftungssystem, MNS beim Tanzen. Wir bieten damit mehr Sicherheit als Bereiche, die bereits den Betrieb aufgenommen haben.
Das Werk
Stefan Stürzer, Betreiber
Über den Sommer bespielen wir die öffentlichen Flächen vor dem Werk am Donaukanal mit der „Kultur Terrasse“ in der Hoffnung, die schon entstandenen Schäden etwas zu begrenzen. Sozusagen Überlebenskampf pur! Wir hoffen, dass wir über den Juni mit Wetterglück so wieder einen Polster aufbauen und ab Juli den nächsten Schwung an Mitarbeitern anstellen können. Damit alles wieder so ist wie vor der Krise, brauchen wir realistisch gesehen ungefähr fünf Jahre.
U4
Michael Gröss, Betreiber
Ich habe am Anfang nicht so recht glauben wollen, dass wir wirklich zusperren müssen. Wir haben dann alle in Kurzarbeit geschickt und diese gerade noch einmal verlängert, wir stehen zu unseren Mitarbeitern. Wirtschaftlich ist das aber natürlich eine Katastrophe. Meine Angst ist, dass alle zu früh aufmachen und es zu einer zweiten Welle kommt. Das würden wir nicht überleben. Ich vermute, so etwas wie Normalität werden wir erst haben, wenn es eine Impfung gibt.
Black Market
Cedric Burger, Booker, und Armin Gruber, Betreiber
Wir haben unsere Türen mit einem an die Bestimmungen angepassten Konzept wieder geöffnet. Mit vier mittels Holzverbauungen voneinander getrennten Tischen auf der Tanzfläche – DJs werden per Videostream in den Gastraum projiziert. Bis auf zwei Mitarbeiter musste das gesamte Team gekündigt werden. Wir versuchen, dem Wunsch unserer Gäste, wieder eine Form von Clubfeeling genießen zu können, so gut es geht nachzukommen.
Tanzcafé Jenseits
Nora-Anna Hofmann, Geschäftsführerin
Viele Stammkunden bitten mich, wieder aufzusperren, aber wir halten die Türen noch geschlossen. Zwar braucht der Mensch in Krisen die Bar als Zufluchtsort – Corona hat einsame Menschen ja noch einsamer gemacht –, aber wirtschaftlich ergibt das einfach keinen Sinn. Die Touristen fehlen, und einen Schanigarten können wir heuer nicht aufstellen, weil neben uns eine Baustelle ist. Sobald die Sperrstunde fällt, überlegen wir weiter.
Fluc
Martin Wagner, Geschäftsführer, und Peter Nachtnebel, Programmchef
Während das Clubbing wegfällt, schaffen wir einen Konzertbetrieb nur über Subventionen. Wir wissen zwar, was die nächsten zwei Wochen zu beachten ist, darüber hinaus gibt’s aber keinen Plan. Es steht zu befürchten, dass unvorhersehbare Entwicklungen und mögliche Verordnungen uns auch in Zukunft aus heiterem Himmel treffen werden. Seitens der Regierung stünde eine Entschuldigung an für nicht gehaltene Versprechen.
Sass
Gregor Tom Imhof, Inhaber
Wir sind derzeit als Diskothek genehmigt und behördlich geschlossen. Um das überleben zu können, „durften“ wir uns als erfolgreiches Unternehmen mit einem Übergangskredit verschulden. Wir befinden uns derzeit im Austausch mit der Politik und haben auch bereits Konzepte für eine schrittweise Wiedereröffnung vorgelegt. Wir werden sehen, welchen Stellenwert die Politik einer aktiven, diversen und urbanen Clubkultur beimisst.
Volksgarten
Ali Pasha Ilkhanipour, Clubmanager
Ursprünglich wollten wir den Shutdown für Renovierungen nutzen, aber dann kam uns die Idee, eine Pop-up-Pizzeria zu machen. Und jetzt haben wir im Garten einen in Italien gebauten Pizzaofen stehen und sind quasi ausreserviert. Natürlich ist das nicht mit dem Clubgeschäft vergleichbar, wir machen den meisten Umsatz im Sommer. Aber wir holen unsere Mitarbeiter jetzt aus der Kurzarbeit und stellen sogar neue Leute ein.
The Loft
Mike Tscholl, Betreiber
Am Anfang bin ich wie ein kopfloses Huhn herumgelaufen, habe schnell überlegt, was man machen kann, und ein bisschen zu überstürzt Kurzarbeit angemeldet. Wir haben aber Glück mit dem Vermieter und der Bank. Die Pause nützen wir, um Sachen auf die Beine zu stellen; zum Beispiel verkaufen wir unsere Lagerbestände, die halten sich ja nicht lange, und wir haben die „Loft Night Show“ fürs Internet gedreht. Fad wird mir nicht.
Pratersauna
Christian Edy, Betreiber
In den ersten Wochen waren alle geschockt, vor allem die Mitarbeiter. Wir sind in Kurzarbeit. Die Pratersauna ist natürlich privilegiert mit dem Garten, so konnten wir rasch auf die Lockerungen mit einem neuen Konzept eingehen. Wir positionieren uns gerade als Multifunktions-Location neu, mit Open-Air-Kino, Gastronomie und natürlich dem Pool. Bleiben werden uns hoffentlich das Händewaschen und bessere Hygienestandards.
Celeste
Hjalmar Al-Serori, Betreiber
Das Celeste ist zwar über 300 m2 groß, aber sehr verwinkelt. Deshalb ist es bei uns besonders schwierig, Mindestabstände einzuhalten. Wir werden dennoch in den nächsten Wochen wieder mit ein wenig Programm beginnen, weil uns die Arbeit abgeht. Rentabel wird das nicht sein. Wir wissen nicht, wie wir die laufenden Fixkosten und die Kurzarbeit noch länger bezahlen sollen, und hoffen, dass hier noch einmal nachgebessert wird.