Ohren auf Jazz mit Hipsterbonus

Zeitgenössischer britischer Jazz im Überblick

DAVID MOCHIDA KRISPEL
FEUILLETON, FALTER 29/20 vom 15.07.2020

Das in London ansässige Label Soul Jazz Records dealt seit 1992 mit musikalischen Einstiegsdrogen in Form liebevoll zusammengestellter Sampler zu unterschiedlichsten Genres und Subkulturen. Die neueste Veröffentlichung legt den Fokus auf eine Szene, für die Frank Zappas altes Postulat "Jazz is not dead, it just smells funny" bestenfalls noch in Spurenelementen gilt.

Der Titel definiert das 21-teilige Programm: "Kaleidoscope -New Spirits Known &Unknown" versammelt vorrangig britische Künstlerinnen, Künstler und Ensembles, die schwerlich über einen Kamm geschoren werden können. Sphärischer Space Jazz ertönt ebenso wie ein Roland-Kirk-Gedächtnis-Flöten-Marathon; modale Improvisation steht neben gepflegten Vokalstücken; die Tuba wird als Bass verwendet, dazu Orgel-Funk, Exotica-Percussion, Morricone-Soundtrack-Dissonanz, Psychedelik, experimentelle Electronica -und allerlei mehr.

Die Seventies-Schlagseite ist ansprechend, viele Stücke verquicken den Spiritual-und Fusion-Jazz jener Zeit mit elektronischen Produktionstechniken nachfolgender britischer Produzenten und Klangkünstler wie Adrian Sherwood oder Squarepusher. Brücken zum Saxofon-Hipster Kamasi Washington sind vorhanden, ebenso zum US-Label der Stunde, International Anthem. Makaya McCraven als Highlight herauszupicken wäre willkürlich, aber der Beat-Wissenschaftler glänzt mit einem vermutlich improvisierten Solo-Percussion-Workout. Am anderen Ende der Formenskala bereist das Levitation Orchestra in einem kosmischen Aufwasch gleich mehrere unterschiedliche Jazz-Planeten.

Wer "nur" die reguläre 3LP-Version ohne Bonussingle kauft, verpasst Hip-Hop-Jazzelectronic von Mavericks Vels Trio und Ishmael Ensemble; ein separates Kurzformat bietet zudem Clubtaugliches von Theon Cross und Pokus. Der Download und die Doppel-CD spielen alle 21 Stücke.

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