Am Apparat Telefonkolumne
Wieso steht Mazar-e Sharif so oft in Asylbescheiden, Herr Salm?
Wolfgang Salm ist IT-Experte und Mitglied der Initiative "Fairness Asyl". Als er in einem Asylerkenntnis las, "die Stadt Mazar-e Sharif ist eine Art ,Vorzeigeprojekt' Afghanistans für ausländische Gäste", machte er sich auf die Suche nach der Stadt. Denn mit ihr argumentiert die Behörde die Zulässigkeit von Abschiebungen nach Afghanistan. Mazar-e Sharif sei eine sichere Fluchtalternative. In 367 Erkenntnissen fand Salm den Satz. Dem Falter verrät er, was es mit diesem "Vorzeigeprojekt" auf sich hat.
Wieso haben Sie sich auf die Suche nach Mazar-e Sharif gemacht?
Ich bin in einem Asylbescheid über diesen Satz gestolpert und habe das UN-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) gefragt, was das bedeutet . Die wussten es nicht. Dann war ich beim Roten Kreuz, das Dokumente der Staatendokumentation für Asylverfahren verwaltet. Und ich habe bei der Staatendokumentation des Bundesamts für Asyl nachgefragt.
Was ist das?
Das sind Berichte über die Situation in einzelnen Ländern, anhand derer die Situation in den Herkunftsländern beurteilt wird.
Fanden Sie irgendwo eine Antwort?
Nein. Nein, auch der Leiter der Staatendokumentation wusste es nicht. Aber ich fand heraus, dass der Satz aus dem Jahr 2014 stammt und 2018 aus der Staatendokumentation entfernt wurde. Seitdem sollte der Satz nicht mehr zitiert werden, es wurde aber dennoch 367-mal gemacht. Viel ärger ist aber die Tatsache, dass einige Richter in ihren Entscheidungen den Satz abgeändert und die Einschränkung "für ausländische Gäste" weggelassen haben. Damit haben sie die Bedeutung des Satzes maßgeblich verändert.
Warum taucht dieser Satz so oft auf?
Ich habe eine Vermutung: 2018 hat das UNHCR neue Richtlinien zu Afghanistan verabschiedet, die eine Abschiebung nach Kabul aufgrund der schlechten Sicherheitslage erschweren. Da scheint man mit der Stadt Mazar-e Sharif eine Alternative für Abschiebungen gesucht und gefunden zu haben.