Der Mann, der Putins Killer jagt
Er deckt die Kriegsgräuel Russlands in der Ukraine und die Staatsverbrechen des Kremls auf. Jetzt muss Christo Grozev seine Wahlheimat Österreich verlassen, weil er selbst zum Ziel geworden ist
Foto: ORF
Na, vielleicht darf ich den Satz fertig sprechen? Wäre angenehm.“ „Wenn Sie mich ausreden lassen, könnte ich es erklären.“ „Darf ich ausreden?“ „Sehr geehrte Frau Reiterer, was ist das Problem?“ Gesundheitsminister Rudolf Anschober hatte am Sonntag vor zwei Wochen keinen leichten Stand beim ORF-Polit-Talk „Im Zentrum“. „Verschärfung, Verwirrung, Verunsicherung – Droht ein zweiter Corona-Lockdown?“ lautete das Thema, „Kennen Sie jemand, der sich auskennt?“, war die erste Frage von Moderatorin Claudia Reiterer an den Minister. Anschober zeigte sich im Laufe der knapp einstündigen Sendung einmal von seiner grantigen Seite. „Das ärgert Sie jetzt, wenn ich Sie unterbreche“, sagte Reiterer gegen Ende, als sie Anschober erneut unterbrach. „Hat nichts mit Ärgern zu tun, aber mit Gesprächskultur“, antwortete Anschober. „Reden Sie darüber“ ist Reiterers rituelle Aufforderung am Ende jeder Sendung.
Geredet wurde über diese Sendung noch lange. Nicht nur, weil sie 589.000 Menschen verfolgten, sondern auch, weil Reiterer und Anschober sich so sehr verbal verkeilten, was in heimischen Talkrunden selten ist. „Wenn eine Frau einen Mann unterbricht, wird das anders wahrgenommen, als wenn es ein Mann macht“, meint Reiterer, „ich verstehe mich aber als Moderatorin und als Journalistin, ich bin der verlängerte Arm des Publikums, deswegen habe ich so hartnäckig nachgehakt.“
In Zeiten von Corona ist das Debattierbedürfnis größer denn je. Die Corona-Zeit beschert Talkrunden im öffentlich-rechtlichen wie privaten Fernsehen hohe Quoten, die Menschen suchen Orientierung und Einordnung, und sie sind auch wieder mehr zuhause und bilden sich ihre Meinung über Medien. Aber können das die heimischen Talkformate auch leisten? Im Vergleich zu Deutschland ist in Österreich alles en miniature angelegt: Die Talk-Redaktionen, die die Gäste suchen und vorbereiten, sind überschaubar, die Auswahl an Experten und Politikern sowieso. „Im Zentrum“, „Pressestunde“, „Runden Tische“, „Sommergespräche“ – all das wird im ORF beispielsweise von nur acht Personen vorbereitet, davon drei in Vollzeit, „Im Zentrum“-Gastgeberin Reiterer und ORF-Talkformate-Chef Matthias Schmelzer inklusive. Zum Vergleich: Die deutsche Polit-Talkerin Maybrit Illmer auf ZDF hat doppelt so viele Redakteure allein für ihre Sendung. „Trotzdem recherchieren und wählen wir, so wie unsere deutschen Kollegen, unsere Talkgäste sehr sorgfältig aus“, sagt Schmelzer.