Der Abschied des Kommandanten
Vor 45 Jahren begann der Staat, psychisch kranke Straftäter zu therapieren. Zu dieser Zeit trat Rudolf Karl seinen Dienst als Justizwachebeamter an. Nun blickt er zurück. Was bleibt von den Reformen?
Als alle eingesperrt wurden, durfte Rudolf Karl, 65, nur noch seine Sachen holen. Wenige Wochen vor seinem offiziellen Pensionsantritt kam Corona, und der Kommandant der Justizanstalt Wien-Mittersteig musste, aus Altersgründen und damit als Angehöriger einer Risikogruppe, das Gefängnis für immer verlassen.
45 Jahre lang arbeitete der Justizwachebeamte Rudolf Karl dort, wo andere nicht hinschauen wollen, verbrachte seine Tage mit Menschen, die das Gesetz geistig abnorme Rechtsbrecher nennt. Die andere bedroht oder verletzt, vergewaltigt oder ermordet, die Kindern sexuelle Gewalt angetan hatten. Karl achtete darauf, dass die Häftlinge einer Arbeit nachgingen, organisierte Sprach-und Computerkurse und gestaltete mit ihnen die Insassenzeitung Blickpunkte. Er kümmerte sich darum, wenn Gefangene ihre Wäsche nicht bekamen oder Besuch an jenen Tagen wollten, wo das nicht erlaubt war. Nicht, weil er die Insassen besonders mochte, sie für harmlos oder unschuldig hielt. Karl ist einer jener