Die Rückkehr auf die Bühne
Corona habe die Mode gekillt, heißt es. Doch auf Nachlässigkeit folgt die Sehnsucht nach dem Aufbrezeln
Wer eine Jogginghose trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren." Mit diesem Spruch rümpfte Karl Lagerfeld einst die Nase über den Modegeschmack von Hackler-und Migrantenkids. Wie hätte Lagerfeld die Covid-Krise ausgesessen: mit gepudertem Haar, in gesteiften Hemdkrägen und Lederhandschuhen? Oder hätte er sich heimlich zur Jogginghose hinreißen lassen?
Denn die ist den vergangenen acht Monaten zur modischen Entsprechung eines globalen Kontrollverlusts geworden und steht stellvertretend für jene Bequemlichkeit und Nachlässigkeit, die einsetzen, wenn sich gewohnte Strukturen auflösen. Wozu sich auch aufwendig herrichten, wenn man ohnehin nur zwischen Homeoffice und Supermarkt oszilliert?
Mode, als Form der Inszenierung, als Zugehörigkeits-und Abgrenzungsinstrument, braucht Öffentlichkeit, sie braucht die Betrachtung von außen, die Distinktion und die Einordnung, anderenfalls ist sie bloß Gewand; Stoff, der vor Kälte, Sonne und Nacktheit schützt. Und Gewand sollte vor allem eines sein: bequem. So gesehen: zehn Punkte für die Jogginghose.