Der Marshallplan für eine offene Gesellschaft
Stefan Rastl belegt, wie der US-Geheimdienst nach dem Zweiten Weltkrieg gezielt demokratische Eliten in Europa aufzubauen versuchte
Am Tag nach der Wahl soll das Glas kommen. Endlich. 450.000 Quadratmeter werden aus der Tschechoslowakei erwartet, um die zerstörten Wiener Häuser zu reparieren. Beim Magistrat ist ein Glaszuweisungsschein zu beantragen, Ärzte, Familien mit Kleinkindern und "politische KZler" haben Vorrang. Der Herbst 1945 ist ein kalter, Brennstoff zudem knapp und die Stromversorgung unverlässlich. Am Sonntag, dem 25. November 1945, dem Tag der ersten Nationalratswahlen der Zweiten Republik, liegen die Temperaturen in Wien knapp über dem Gefrierpunkt. Es nieselt.
15 Jahre sind die letzten freien Wahlen in Österreich her, fast eine ganze Generation kennt keine Demokratie. Und gerade haben die Menschen ohnehin andere Sorgen. Die Städte sind zerstört, auf dem Land wird gehungert, die Männer darben in fernen Kriegsgefangenenlagern. In der Wahlwoche gibt es in Wien nicht genug Fett und Fleisch. Doch die provisorische Regierung unter Karl Renner, seit sieben Monaten im Amt, hat es eilig. Man will sich