Welt im Zitat
Fehlleistungsschau
Enthusiasmus Kolumne der Superlative
Am Anfang fragt man sich, ob man Mittelhochdeutsch hört oder gar Jiddisch. Dann beginnt man Wörter zu verstehen, zunächst nur einzelne, aber das ist gar nicht wichtig, denn die Emotionalität dieser Musik fährt einem gleich unter die Haut. Man könnte zu ihr auch in einer fremden Sprache oder einfach Fantasiewörter singen -worum es geht, wäre trotzdem klar. Endlich kommt die Erkenntnis: Es ist Schwyzerdütsch.
Nun eilt Schweizern nicht der Ruf voraus, besonders leidenschaftlich zu sein, und Schwyzerdütsch gilt nicht eben als poetische Sprache. Aber Sophie Hunger, Faber und Dino Brandao, die während des Lockdowns vergangenen Sommer in Zürich strandeten, haben das Wunder vollbracht. Binnen nur einer Woche spielten die drei ein Album ein, auf dem sie sich nicht wie gewohnt des Hochdeutschen oder Englischen bedienen, sondern ihrer Mundart eine Liebeserklärung machen. "I bin patriotisch, d'Schwyz ist mein Heim", beginnt Hungers Song "Putsch"
Das titelgebende "Ich liebe dich" kommt gleich in drei unterschiedlichen Versionen vor. Faber singt "ich" mit einem "Ach"-Laut, und "liebe" zieht sich bei ihm zu "lia-be" - trotzdem schmilzt man dahin. Jene von Hunger beginnt so: "Mit 'em Rugge zu de Wälle, es spüelt mich ane, zrug ans Land, ich fühls, ich falle, mit jedre Zälle, ohni Wille, i dini Hand." Dann singen alle drei den Refrain: "Möged d'Alpe sich geniere, möged d'Ratte ois regiere, mögd ich mini Stimm verlüre, es wär ganz schlimm und doch wärs gliech."
Bei jedem weiteren Hören versteht man mehr - und auch wieder nicht so viel mehr als beim ersten Mal. Schöner wurde in diesem seltsamen alemannischen Dialekt nie gesungen. "I stah in Flamme, i brann für di!" - und zwar am liebsten in der Endlosschleife.