Eine Begegnung mit dem Hintermann des Ibiza-Videos

Was der Auftritt von Julian H. über die Zustände in der österreichischen Justiz erzählt.

Florian Klenk
FALTER.MORGEN, 09.04.2021

Also, worum ging es gestern nochmal im Ibiza-U-Ausschuss? Fast wäre es untergegangen. Julian H. war geladen. Sie kennen den Mann vielleicht, zwei von der Regierung bzw. von ÖVP-Spendern angefütterte Boulevardmedien haben versucht, ihn – zeitgerecht zu seinem Auftritt – mit diskreditierenden Halbnacktfotos fertig zu machen. Nein, wir verlinken jetzt nicht dorthin.

Unter normalen Umständen müsste Julian H. natürlich längst das große Goldene Ehrenzeichen mit dem Stern bekommen, weil er die Korruption von Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus dokumentiert und das Land von der türkis-blauen Regierung befreit hat.

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Aber Julian H. hat – anders als Strache – kein Ehrenzeichen mit dem Stern bekommen, sondern Achter ums Handgelenk. Er sitzt in U-Haft (er soll mit Kokain gedealt haben, bestreitet dies aber) und wurde gestern unter massivem Polizeischutz ins Camineum der Hofburg geleitet. Dort, wo einst die Rösser des Kaisers standen, erzählte Julian H. nun vor dem U-Ausschuss des Parlaments, wieso er das Ibiza-Video gedreht habe (seine Aussage im O-Ton finden Sie hier): Zur Dokumentation, wie korrupt Strache ist – ein Umstand, der ihm von dessen Leibwächter, dem freiheitlichen Bezirksrat Oliver R., schon Jahre zuvor mitgeteilt worden war. Die Polizei habe sich dafür aber nicht interessiert. Daher sei man zur Tat geschritten.

Julian H. berichtete gestern nicht viel Neues. Aber in einem Punkt muss man ihm zustimmen. Es ist erstaunlich, mit wieviel Personaleinsatz und Ressourcen das Innenministerium die Hintermänner des Bagatelldelikts „Missbrauch von Tonaufnahmegeräten“ suchte (also Julian H. und die vermeintliche Oligarchennichte) und wie prekär jene Staatsanwältinnen und Staatsanwälte arbeiten müssen, die die auf dem Video festgehaltene Korruption aufklären sollen. Im Februar hatte ja die WKStA-Staatsanwältin Christina Jilek im Camineum der Hofburg beklagt, wie sie vom Chef der Oberstaatsanwaltschaft Wien Johann Fuchs bei ihren Ermittlungen behindert wurde.

Jilek warf das Handtuch. Auch Fuchs ist jetzt nicht mehr für den Ibiza-Akt zuständig. Justizministerin Alma Zadić (Grüne) hat ihm die Aufsicht über die WKStA entzogen. Warum? Fuchs schickte an Justizsektionschef Christian Pilnacek eine streng vertrauliche Vorab-Info über die Hausdurchsuchung bei Gernot Blümel. Über Signal. Mit verschwindenden Nachrichten. Und Pilnacek leistete danach Rechtsberatung bei Blümels Kabinettschef.

„Das ist unzulässig“, sagt Alma Zadic, suspendierte Fuchs aber seltsamerweise nicht sofort. Das verwundert wiederum die WKStA, denn als Pilnaceks Handy sichergestellt wurde, ging – leider, leider – das Handy von Fuchs kaputt, er beschaffte sich sofort ein Neues. Und beim Tausch der Sim-Card wurde diese beschädigt. So ein Pech. Aber wirklich.

Ich mampfe ein paar Dragee Keksi zur Beruhigung und arbeite mich ein bisschen durchs Archiv. Da ist etwa diese Kurier-Geschichte aus dem Jahr 2012. Damals ging es um den Vorwurf, Pilnacek habe an einen Spezi Geheimnisse in einem Politkrimi verraten. Pilnaceks Handy sollte abgehört werden, allerdings nur sein privates Gerät. Die Begründung des Bundesamts für Korruptionsbekämpfung war kottanesk: „Von einer Anregung zur Überwachung der dienstlich zugewiesenen Handyrufnummer wird im Hinblick auf die politische, entscheidungstragende Position von Mag. Christian Pilnacek Abstand genommen.“

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Merkwürdig, oder? Der damals ermittelnde WKStA-Staatsanwalt war Johann Fuchs – und nickte das alles ab. Später wurde er zum Chef der Oberstaatsanwaltschaft Wien befördert. Ich bin gespannt, wie lange er diesen wichtigen Posten noch ausübt. Vielleicht wird er bald wieder befördert.

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